Junge Abgeordnete wünscht sich lautere Stimme der Kirchen

"Kirche muss sich positionieren"

Junge Menschen wünschen sich eine aktivere Kirche, zeigt eine Umfrage der Managementberatung Horvath. Der Meinung ist auch Karoline Otte, eine der jüngsten Bundestagsabgeordneten. Aus diesem Grund ist sie in die Kirche eingetreten.

Karoline Otte / © Otte (privat)
Karoline Otte / © Otte ( privat )

DOMRADIO.DE: Auffällig bei der Studie ist, dass gerade die junge Generation der Kirche nicht so verschlossen gegenübersteht, wie oftmals angenommen wird. Demnach wünschen sich junge Menschen aber vor allem eine deutlichere Positionierung der Kirchen bei gesellschaftlichen und politischen Themen. Das haben über die Hälfte der Befragten angegeben, die zwischen 18 und 29 Jahren alt sind. Erkennen Sie sich da wieder? 

Karoline Otte MdB (Grünen-Politikerin und eine der jüngsten Abgeordneten im Bundestag): Absolut. Das war für mich auch der Grund wieder in die evangelische Kirche einzutreten. Ich würde mir wünschen, dass die Kirche eine wertegeleitete Stimme ist, die stark auf die Politik und auf politische Herausforderungen schaut und dann eine wertegeleitete Position dazu bezieht.

Karoline Otte (Grünen-Politikerin und eine der jüngsten Abgeordneten im Bundestag)

"Ich würde mir wünschen, dass die Kirche eine wertegeleitete Stimme ist, die stark auf die Politik und auf politische Herausforderungen schaut."

DOMRADIO.DE: Die Autorinnen und Autoren der Studie haben dazu geraten, die Bedürfnisse dieser jungen Zielgruppe stärker zu beachten, Onlineangebote zu optimieren und besser mit Offlineangeboten zu verzahnen. Was fänden Sie seitens der Kirche hilfreich? 

Otte: Onlinekommunikation ist wichtig, weil das der Raum ist, der auch junge Menschen erreicht. Gemeinden, die sich das leisten können und wollen, kommen glaube ich nicht um Onlineangebote herum. Aber es darf nicht nur eine Landeskirche geben, sondern auch die Kirche vor Ort, die mit mir über diese Wege kommuniziert.

Außerdem glaube ich, dass es eine direkte Positionierung braucht: Wie zum Beispiel die evangelische Kirche das bei der Synode im November getan hat. Man hat sich da sehr klar zu einem Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen positioniert. Das ist für mich genau die konkrete Haltung, die man braucht. Wir brauchen nicht noch eine Institution, die den Klimaschutz wichtig findet, aber wir brauchen Institutionen, die daraus konkrete Schlussfolgerungen ziehen. 

DOMRADIO.DE: Wie viel darf oder sollte sich die Kirche denn in Politik einmischen? Es gibt Kritik, die Kirche solle bei ihrer Verkündigung bleiben und sich nicht um Gesellschaft und Politik kümmern. 

Karoline Otte (Grünen-Politikerin und eine der jüngsten Abgeordneten im Bundestag)

"Es kann nicht sein, dass Kirche sich bei den großen Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit wie Klimakrise und Geflüchtetenkrise nicht einbringt."

Otte: Ich glaube, dass aus der Verkündigung heraus die andere Message entstehen muss. Es kann nicht sein, dass Kirche sich bei den großen Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit wie Klimakrise und Geflüchtetenkrise nicht einbringt. Bei diesen ganz grundlegenden humanitären Werten muss sich Kirche positionieren und diese Position auch hörbar machen. 

DOMRADIO.DE: Die jungen Menschen suchen in diesen Zeiten Orientierung. Können Sie erklären, warum Jugendliche die Kirche als wichtige Stimme ansehen?

Otte: Ich glaube, weil wertegeleitete Stimmen fehlen. In der Politik gibt es einen sehr wissenschaftlichen und faktischen Dialog, der häufig nicht darüber hinausgeht. Bei der Frage nach dem, was wir wollen und auf welcher moralischen Grundlage wir das wollen, ist die Kirche genau der richtige Ansprechpartner. 

DOMRADIO.DE: Die Gruppe derjenigen, die mit der Kirche in Kontakt waren, charakterisiert die Studie als "sehr divers". Sie bilde einen "Querschnitt der Gesellschaft". Inwiefern ist es wichtig, dass in der Kirche auch die gesamte Gesellschaft vorkommt? 

Otte: Es ist immer gut für eine Gruppe, die laut sprechen will, dass sie einen möglichst vielfältigen Background und eine möglichst gute Verwurzelung insgesamt in der Gesellschaft hat. Das muss aber nicht um jeden Preis stattfinden. Die Kirche mit ihrer Offenheit und der Einstellung "Kommt zu uns und lasst uns drüber reden" ist ein guter Ort ist, an dem sich viele sammeln und in einem gesellschaftlichen und politischen Spannungsfeld miteinander reden können. Und so bringen viele auch den gemeinsamen Background mit, nämlich dass sie die selben Werte teilen. 

Das Interview führteTobias Fricke.

Umfrage untersucht Einstellung junger Menschen zur Kirche

Junge Menschen wünschen sich eine deutlichere Positionierung der Kirchen bei gesellschaftlichen und politischen Themen. Das gaben 56 Prozent der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren in einer Umfrage an.

Die Managementberatung Horvath ermittelte in ihrer Umfrage, dass unter der Gesamtbevölkerung dieser Anteil demnach bei 52 lag, unter Kirchenmitgliedern bei 61 Prozent.

Symbolbild Umfrage / © Tero Vesalainen (shutterstock)
Quelle:
DR