Junge Muslime und Juden setzen Zeichen gegen Antisemitismus

"Miteinander muss gelingen"

Im Vorfeld einer gemeinsamen Reise junger Muslime und Juden nach Auschwitz haben sich Vertreter beider Religionsgemeinschaften klar gegen Antisemitismus positioniert.

Dem Antisemitismus vorbeugen / © Peter Steffen (KNA)
Dem Antisemitismus vorbeugen / © Peter Steffen ( KNA )

"Das Miteinander von Juden und Muslimen in Deutschland muss gelingen", betonten die Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime und der Union progressiver Juden, Aiman Mazyek und Rabbiner Walter Homolka, am Freitag. Von Montag bis Freitag reisen 25 Jugendliche beider Religionen nach Polen und besuchen die KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Auf dem Programm stehen Besichtigungen, Zeitzeugengespräche und Diskussionsrunden.

Zu einer Gedenkfeier am 9. August werden auch die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Thüringen, Daniel Günther (CDU) und Bodo Ramelow (Linke), erwartet. Gemeinsam mit Homolka und Mazyek appellierten sie: "Es darf nie wieder geschehen, dass Menschen auf Grund einer rassistischen Ideologie oder ihres Glaubens oder ihrer Hautfarbe wegen verfolgt und ermordet werden."

"Nie wieder"

Als Zeichen für das "Nie wieder" reichen sich Juden, Muslime und Christen aus Deutschland in Auschwitz die Hand und erinnern an die Opfer der "unsagbaren Verbrechen", wie es hieß. Die Würde des Menschen, Völkerverständigung, Glaubens- und Meinungsfreiheit seien die Grundlage für ein friedliches Nebeneinander aller Menschen.

Mazyek betonte: "Als Deutsche und Muslime haben wir gegenüber der deutschen Geschichte eine Verantwortung. Der stellen wir uns." Der Glaube lehne jedwede Form des Antisemitismus, des Rassismus und der Menschenfeindlichkeit ab und bekämpfe sie.

Erinnerungskultur in Deutschland

Der Berliner Historiker Günter Morsch erklärte unterdessen, er halte Stolz auf die deutsche Erinnerungskultur für "nicht gerechtfertigt". Deutschland ruhe sich auf den Leistungen der vergangenen Jahre aus, sagte Morsch der "Welt". Die Erinnerung an die NS-Zeit sei viele Jahre hauptsächlich von Bürgerinitiativen und Opferverbänden getragen worden. Eine Wende der juristischen Aufarbeitung habe erst vor wenigen Jahren stattgefunden. Auch seien viele Täter nicht angeklagt und bestraft worden. Das zeige, "dass wir eben nicht der Erinnerungsweltmeister sind".

Morsch leitete 25 Jahre lang die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen in Brandenburg. Der Historiker forderte einen Paradigmenwechsel in der Erinnerungsarbeit. Fächer wie Geschichte, Politik und Demokratieerziehung würden in der Schule vernachlässigt. Nachfragen von Schülern, die die Gedenkstätte besuchten, offenbarten mitunter große Lücken. Als beruhigend bezeichnete es Morsch, dass die «Faszination am Authentischen nach wie vor groß ist».

Viele Holocaust-Überlebende seien erschrocken darüber, wie wenig Europa gelernt habe, so Morsch. Die Rückkehr von Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus werde "von fast allen als Rückschlag empfunden." Auch er selbst sei entsetzt, "dass wir jetzt eine Partei im Bundestag haben, aus deren Reihen einige Politiker ganz offensichtlich eine Revision unserer Erinnerungskultur betreiben wollen".


Quelle:
KNA