domradio.de: Wie stehen Sie dazu: Sollte es für Heiligabend eine Ausnahme geben, sollte der Tag verkaufsoffen sein?
Hannes Kreller (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung KAB): Eigentlich sollte es für Sonntage grundsätzlich keine Ausnahmen geben, außer es ist wirklich ein gesellschaftlicher Notstand eingetreten. Denn es ist ja immer wichtig, dass unser Sonntag nicht dem Konsum geopfert wird - und dafür stehen wir.
domradio.de: Warum ist das so wichtig, dass die Läden tatsächlich diesen einen Tag in der Woche mal zu bleiben?
Kreller: Im Endeffekt muss - wenn man soziologisch betrachtet - die Gesellschaft etwas zur Ruhe kommen. Es geht darum, einen gemeinsamen Tag zu haben in der Woche, an dem man seine Feste feiern kann, wie zum Beispiel auch Weihnachten. Wo es nicht notwendig ist, zu begründen, warum man an diesem Tag nicht arbeitet.
domradio.de: Was würden Sie jetzt all den gestressten Hausfrauen und -männern antworten, die sagen: Mensch, aber das schaffen wir gar nicht, wenn wir nicht an Heiligabend noch die letzten Dinge besorgen können?
Kreller: Ich vermute, dass der 24.12. seit Jahren bekannt ist. Das würde bedeuten, wer bis zum 23.12. seine Geschenke nicht auf die Reihe gebracht hat, der müsste sich überlegen, wie er sein Leben strukturiert. Ich glaube, es ist ohne Weiteres möglich, seine Geschenke bis zu diesem Zeitpunkt zu erwerben und auch bereitzuhalten. Deswegen ist es nicht notwendig, dass die Verkäuferinnen und Verkäufer an Heiligabend nur wegen dieser Unzulänglichkeit an die Arbeitsstätte zurückkehren.
domradio.de: Hier bei uns in Nordrhein-Westfalen dürfen Geschäfte mit Lebens- und Genussmitteln oder Weihnachtsbäumen bis 14 Uhr an diesem Heiligabend-Sonntag verkaufen. Für alle anderen gilt am Sonntag ein Verkaufsverbot. Wer entscheidet denn überhaupt über sogenannte verkaufsoffene Sonntage?
Kreller: Grundsätzlich gibt es das Ladenöffnungsgesetz. Das heißt, grundsätzlich entscheidet der Gesetzgeber und er überlässt dann die Entscheidung, an welchem Sonntag die Öffnung stattfinden könnte, den jeweiligen Kommunen. An Heiligabend in diesem Jahr gibt es in Nordrhein-Westfalen eine gesetzliche Grundlage, dass die Geschäfte für den Bereichen des täglichen Bedarfs - wie Sie es erwähnt haben - für drei Stunden bis 14 Uhr geöffnet haben dürfen.
domradio.de: In Münster hat es im letzten Jahr einen Bürgerentscheid gegeben. Die Mehrheit der Münsteraner hat gesagt: Wir wollen keine verkaufsoffene Sonntage. Was bedeutet diese Entscheidung aus Ihrer Sicht?
Kreller: Zuerst muss man sagen, dass die Mehrheit der Bürger in der Stadt Münster gegen weitere verkaufsoffene Sonntagen eintritt. Das wurde immer angezweifelt. Es wurde immer wieder behauptet, dass die Mehrheit der Bürger unbedingt am Sonntag einkaufen möchte. Aber die Bürger haben gesagt: Nein, wir wollen das nicht. Und das haben die Bürger mit ihrer Entscheidung auch der Kommune deutlich gemacht.
Das Bundesverfassungsgericht hat übrigens gesagt: Die Konsuminteressen der Bürger oder die Gewinn- oder Handelsinteressen der Unternehmen sind kein Grund, am Sonntag die Geschäfte zu öffnen.
domradio.de: Sie von der KAB haben zusammen mit Gewerkschaften wie Verdi auf vielen verschiedenen Ebenen für einen fairen Sonntag gearbeitet. Was haben Sie denn da schon erreicht?
Kreller: Wir müssen eigentlich feststellen, dass die Ausuferung von verkaufsoffenen Sonntagen trotz rechtlicher Grundlagen, die eigentlich eindeutig sind, weiter vorangeschritten ist. Deswegen haben wir auch den rechtlichen Weg beschritten - in über 100 Prozessen, die wir auch gegen die Kommunen geführt haben. Und über 90 Prozent dieser Prozesse haben im Ergebnis deutlich gemacht, dass diese verkaufsoffenen Sonntage der Kommunen gesetzeswidrig waren.
Wir betrachten es als Armutszeugnis der Kommunalpolitik, dass sie in gewisser Weise die rechtlichen Grundlagen hintenanstellt und die Kommerzinteressen des örtlichen Handels voranbringt und in gewisser Weise verkaufsoffenen Sonntagen oft Tür und Tor öffnet. Und da versuchen wir, dagegen zu halten, um auch deutlich zu machen, wie wichtig der Sonntag für die Menschen ist - auch unter dem Gesichtspunkt, dass man entsprechend die Freizeit auch füreinander und in Gemeinschaft nutzen kann.
domradio.de: Kehren wir zum Schluss noch mal zum 24. Dezember zurück. Erwarten Sie, dass da in einigen Regionen Deutschlands Ausnahmen auftreten werden oder hoffen Sie, dass es in diesem Jahr an Heiligabend tatsächlich weniger Kommerz geben wird?
Kreller: Wir begrüßen, dass von Aldi Süd und Aldi Nord, sowie von Rewe und Penny die Botschaft kam: Wir werden nicht öffnen oder wir haben kein Interesse daran, dass überall geöffnet wird. Da wird noch mal deutlich, dass die Geschäfte selbst den Eindruck haben, dass es nichts bringt, am 24.12. vormittags zu öffnen, wenn die Familien alle in Vorbereitung für den Weihnachtsabend sind. Deshalb hoffe ich, dass die rechtlichen Grundlagen in Nordrhein-Westfalen nicht ausgeschöpft werden und dass die Handelsunternehmen zur Einsicht kommen: 'Wir öffnen an Heiligabend mit Blick auf unsere Mitarbeiter und die Bevölkerung nicht.'
Das Gespräch führte Hilde Regeniter.