domradio.de: Was wollen Sie den Staats- und Regierungschefs der G20 mit auf den Weg geben?
Wilfried Wienen (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands/KAB): Wir werden am 2. Juli in Hamburg demonstrieren und vier Punkte ansprechen: Wir wollen einen gerechteren Welthandel schaffen, wir wollen das Klima retten, soziale Ungleichheit bekämpfen und die Demokratie verteidigen und weiterentwickeln. Zu diesen vier Punkten haben wir aufgerufen und diese mit Forderungen unterlegt.
domradio.de: Im Protestbündnis G20-Protestwelle sind überwiegend Umweltverbände, wie der BUND oder Greenpeace vertreten. Wie passt die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung da hinein?
Wienen: In diesem Bündnis ist auch der Deutsche Gewerkschaftsbund als Arbeitnehmerorganisation und das hat folgenden Hintergrund. Es gab Proteste gegen TTIP und CETA in den letzten Jahren. 2015 gab es zum Beispiel die große Demonstration in Berlin und im letzten Jahr in sieben deutschen Städten.
Wir haben uns schon sehr früh diesem Protest gegen TTIP und CETA angeschlossen. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 haben wir uns schon mit dem Thema befasst und für uns ein wichtiges Thema entdeckt. Es gibt verschiedene Bündnisse, die dagegen entstanden sind und die haben sich jetzt zu einem neuen Bündnis mit dem Namen "Gerechter Welthandel" zusammengetan. Das ist am 2. Juli in diesem Bündnis unsere erste Aktion.
domradio.de: Es geht Ihnen also in erster Linie um gerechten Welthandel und weniger um den Klimawandel?
Wienen: Das Thema Klimawandel steht auch auf der Agenda, aber unser Fokus liegt auf der Frage des gerechten Welthandels. Das hat den Hintergrund, dass wir als KAB europäisch und auch weltweit organisiert sind. Wir haben sechzig Mitgliedsorganisationen auf verschiedenen Kontinenten: in Lateinamerika, in Afrika, in Asien.
Wir bekommen die Probleme hautnah mit von unseren Partnern vor Ort geschildert. Diese Probleme werden von den derzeitigen Handelsstrukturen geschaffen und die werden durch sogenannte Freihandelsabkommen wie TTIP auch noch verschärft. Das ist der Hintergrund, warum wir uns dieser internationalen Thematik auch als KAB hier in Deutschland stellen müssen.
domradio.de: Sie fordern in Ihrem Aufruf zum Protest eine "andere Politik". Was muss sich ändern, gerade auch im Hinblick auf einen gerechteren Welthandel?
Wienen: Auch wenn beispielsweise TTIP jetzt nicht mehr weiter verhandelt wird, verfestigen diese Handelsabkommen, die die Europäische Union mit verschiedenen Teilen der Welt schließt, ungerechte Strukturen. Beispiele sind das Handelsabkommen TTIP mit den USA, aber auch das neue Abkommen JEFTA, was mit Japan verhandelt wird.
Die Konzerne werden begünstigt und die Macht der Konzerne wird ausgebaut, das Thema Schiedsgerichte beispielsweise, wo Konzerne klagen können, wenn bestimmte Investitionen behindert werden. Es werden Umwelt- und Sozialstandards vermutlich abgesenkt. Diese Richtung in der Handelspolitik gilt es einfach zu verändern um gerechtere Verhältnisse herzustellen.
domradio.de: Inwiefern gilt es, die denn zu verändern? Wie könnte eine gerechtere Politik aussehen?
Wienen: Wir haben auf unserem Bundesverbandstag Ende Mai in Krefeld ein Zwölf-Punkte-Programm verabschiedet, welches sich an einem sogenannten "alternativen Handelsmandant" orientiert. Das ist ein Mandat, was von fünfzig verschiedenen Nichtregierungsorganisationen erarbeitet wurde. Daran waren auch sehr viele Entwicklungshilfeorganisationen beteiligt, zum Beispiel Misereor.
Wir haben uns dieses Handelsmandat angesehen und für uns in einem Zwölf-Punkte-Programm die Dinge bestätigt. Es geht um die Frage der Nahrung, die Stärkung von kleinbäuerlichen Strukturen, es geht um Arbeitnehmerrechte. Es geht zum Beispiel darum, dass die Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation umgesetzt werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass Gewerkschaften gegründet werden können. Es geht um die Frage der Menschen- und Arbeitsrechte. Hier muss es in Zukunft eine sogenannte "Sorgfaltspflicht" in Unternehmen geben, entlang von Lieferketten.
Deutsche Unternehmen sind mit dafür verantwortlich zu machen, wenn am Beginn von Lieferketten, zum Beispiel in der Textilindustrie oder in der Lebensmittelproduktion Menschrechtsverstöße vorkommen. Da gibt es auch entsprechende Vorgaben von der UN, die dann auch in einen "Nationalen Aktionsplan" im letzten Jahr in Deutschland umgesetzt worden sind. Diese sind aber völlig unverbindlich. Hier geht es darum, Verbesserungen zu erreichen. Hier geht es um Verantwortung von Unternehmen in diesen globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten.
domradio.de: Im Vorfeld des G20-Gipfels in Hamburg wird viel über geplante Demonstrationen berichtet und es wird von einigen Gruppen auch mit Gewalt gerechnet. Wie wird Ihr Protest in Hamburg aussehen?
Wienen: Wir haben mit unserem Bündnis bewusst den Sonntag vor dem Gipfel ausgesucht, um einen kreativen, bunten Protest zu ermöglichen, der nicht durch die Anspannung beim Gipfel selbst belastet ist. Im Vorfeld wollen wir unsere Positionen dort vortragen, es wird eine Kundgebung geben, es wird einen Protestmarsch zum Messegelände geben, wo der Gipfel dann einige Tage später stattfinden wird. Es wird eine Bootsdemo auf der Binnenalster geben, es wird ein möglichst buntes Bannermeer geben. Wir wollen unsere Forderungen dann auf den Bannern in Hamburg lassen, damit die Forderungen auch während des Gipfels sichtbar sind.
domradio.de: Verbinden Sie mit dem Treffen der G20 auch Hoffnungen?
Wienen: Bei der sogenannten "global governance", bei der Weltpolitik und der Diplomatie stehen natürlich die Vereinten Nationen an erster Stelle. Dort sind die 193 Staaten vertreten, jeder mit einer Stimme. Trotzdem muss man sagen, dass so ein G20-Gipfel natürlich wichtig ist. Es werden zwei Drittel der Weltbevölkerung durch die Staats- und Regierungschefs dort vertreten sein, sie sind aber auch gleichzeitig verantwortlich für drei Viertel der Treibhausgase weltweit und es werden vier Fünftel des Bruttosozialprodukts von diesen Staaten erwirtschaftet.
Insofern ist es schon richtig, dass es solche Treffen gibt, wo man Dinge miteinander vereinbart. Aber die Frage ist natürlich: Geht das in die richtige Richtung? Geht es wirklich um Klimawandel? Geht es wirklich um die Bekämpfung der Ungleichheit? Geht es wirklich darum, die globalen Entwicklungsziele 2030 umzusetzen? Da sind wir als KAB einfach sehr skeptisch und wollen diesen Dingen auch durch unseren Protest Nachdruck verleihen.
Das Interview führte Jann-Jakob Loos.