Käßmann: Gaucks Position zu Bundeswehrauslandseinsätzen kritisch

"Gott will das nicht"

In der Debatte über mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr kritisiert die frühere EKD-Ratsvorsitzende Käßmann die Haltung des Bundespräsidenten. Der Sozialethiker Körtner sieht vorallem Klärungsbedarf in Sachen Friedensethik.

Gerechter Krieg? (dpa)
Gerechter Krieg? / ( dpa )

Im Zeitalter von Drohnen und Massenvernichtungswaffen könne niemand mehr Krieg als ein Werkzeug Gottes sehen, so Käßmann. Anders als zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 riefen Europas Kirchen nicht mehr zum Krieg auf, schreibt Käßmann in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Mittwoch). "Sie sehen es als ihre Aufgabe, gegen die Abgrenzungen und Anfeindungen die Friedensbotschaft Jesu zu setzen, einzutreten für Interessensausgleich und Verhandlungslösungen."

Bundespräsident Joachim Gauck, selbst ehemaliger Pastor, hatte sich jüngst mit deutlichen Worten in die Debatte um die deutsche Außenpolitik eingeschaltet. "In diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen", hatte er im Deutschlandradio gesagt.

Lob für Unterschriftenliste gegen Gauck

Gauck müsse sich fragen lassen, ob er noch in dieser Tradition stehe, so Käßmann weiter. Es sei gut, dass evangelische Geistliche dieses Thema aufgegriffen hätten. Vor knapp zwei Wochen war bekanntgeworden, dass ostdeutsche Geistliche Unterschriften gegen Gauck sammeln wegen seines Plädoyers für mögliche Auslandseinsätze der Bundeswehr unter eng begrenzten Bedingungen. Sie werfen ihrem ehemaligen Kollegen vor, sich von den Idealen der christlichen DDR-Friedensbewegung abzuwenden. Käßmann hatte, damals noch als EKD-Ratsvorsitzende, im Januar 2010 mit ihren Aussagen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr für Schlagzeilen gesorgt. Wörtlich sagte sie damals: "Nichts ist gut in Afghanistan."

Käßmann fordert die Kirchen außerdem auf, sich deutlicher in friedenspolitischen Fragen zu Wort zu melden. Das gelte beispielsweise für die Diskussionen um Rüstungsexporte. "Deutschland mit seiner eigenen Kriegsgeschichte muss sich in der Welt keinen Namen machen mit der Lieferung besonders wirksamer Waffen." Mit Blick auf die Krise zwischen Russland und der Ukraine schreibt die Theologin: "Die Stimme der europäischen Kirchen inklusive der russisch-orthodoxen sollte viel stärker hörbar sein."

Sozialethiker kritisiert Käßmanns Rhetorik

In der evangelischen Kirche besteht nach Ansicht des Sozialethikers Ulrich Körtner Klärungsbedarf in Sachen Friedensethik. Die Formel vom gerechten Frieden stehe in der Gefahr, zu einer "ideologischen Parole" zu verkommen, warnte der in Wien lehrende Theologe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Friedensbewegte Äußerungen lägen möglicherweise im volkskirchlichen "Mainstream". Doch moralische Fehlurteile würden durch beständige Wiederholung nicht richtiger. "Wer aber bloß die Rhetorik des gerechten Friedens bemüht, handelt nicht nur politisch unverantwortlich, sondern gerät auch theologisch ins Abseits", ergänzte der Theologieprofessor.

Körtner bezieht sich auf Äußerungen der früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, sowie Kritik ostdeutscher Pfarrer an der Haltung von Bundespräsident Joachim Gauck.

Körtner: Käßmann stellt Krieg gegen Hitler in Frage

Mit diesen fragwürdigen Äußerungen stelle Käßmann die ethische Rechtmäßigkeit des Kriegs gegen Hitler in Frage, kritisierte Körtner.

Dass eine solche Aussage in der evangelischen Kirche unwidersprochen bleibe, ist nach den Worten des Sozialethikers "einigermaßen erstaunlich". Käßmann berufe sich immer wieder auf die EKD-Friedensdenkschrift von 2007. Für eine "radikalpazifistische Lesart" biete dieser Text jedoch keinen Anhaltspunkt.

Darin stelle die EKD zwar klar, dass man mit militärischen Mitteln keinen Frieden gewinnen könne, und setze auf zivile und völkerrechtliche Mittel der Konfliktlösung und -vermeidung, sagte Körtner. "Sie spricht aber ebenso deutlich davon, dass unter Umständen auch der Einsatz militärischer Mittel zur Erhaltung oder zur Wiederherstellung des Rechts, ohne das keine Friedensordnung bestehen kann, notwendig und ethisch gerechtfertigt sein kann." Gemessen an den dort formulierten Kriterien für den Einsatz militärischer Gewalt sei der Krieg gegen Hitler gerechtfertigt. "Und darum war der 8. Mai 1945 auch für Deutschland und Österreich nicht ein Tag der Niederlage, sondern der Befreiung", folgerte der Theologe.

Zugleich begrüßte Körtner Äußerungen des EKD-Ratvorsitzenden Nikolaus Schneider, wonach Militäreinsätze zwar keinen Frieden schaffen, aber doch massive Gewalt wie im Fall des Südsudans stoppen können. Dies könne als Unterstützung für den Bundespräsidenten verstanden werden, ergänzte der Professor für Systematische Theologie.


Bundespräsident Gauck (dpa)
Bundespräsident Gauck / ( dpa )
Quelle:
dpa , epd