Burkini am Strand, Schweinefleisch in der Schulkantine oder Weihnachtskrippe im Rathaus - die Trennung zwischen Kirche und Staat sorgt regelmäßig für Debatten im Alltag der Franzosen. Frankreichs neuer Staatspräsident Emmanuel Macron steht für einen Richtungswechsel. Er will Religionsvertreter aktiv einbeziehen in seine Politik. Applaus bekommt er dafür nicht von allen.
"Kein Kuchen, den man aufschneidet"
Seine Staatssekretärin für die Gleichstellung der Geschlechter etwa sieht in der Interpretation des Gesetzes von 1905 heute einen "politischen Kampf". Laizität sei kein Kuchen, den man aufschneide, zwischen den verschiedenen Religionen verteile und ein Stück an die Nichtgläubigen gebe, so Marlène Schiappa. Sie spricht sich klar dagegen aus, das Konzept der Trennung von Kirche und Staat mit "positiv" oder "negativ" zu ergänzen. Ihre Interpretation von Laizität lässt zum Beispiel nicht zu, dass als Gläubige erkennbare Menschen in Parlamente gewählt werden. Sie präferiert die Neutralität. Dazu passt der Titel ihres im Januar erschienen Buches "Laicite. Point!", in dem sie ihre Gedanken zu dem Thema zusammenfasst.
"Franzosen sind nicht neutral"
Genau vor dieser Neutralität warnt der Präsident der "Beobachtungsstelle für Laizität" (Observatoire de la laicite), Jean-Louis Bianco. "Die Menschen sind nicht neutral", sagte er dem katholischen Fernsehsender "KTO". Sie haben alle ihre Geschichte, ihre Zugehörigkeit, ihre Überzeugungen.
Was Macron fordert, ist allerdings nicht leicht umzusetzen. Er will einen "sachlichen, konstruktiven" Dialog ohne Emotionen - bei einem traditionell emotionsgeladenen Thema. Bereits zweimal hat er sich in den vergangenen Wochen mit Religionsvertretern getroffen. Beim traditionellen Neujahrsempfang mit den Religionsvertretern betonte er, dass die Trennung zwischen Kirche und Staat durch das Gesetz aus dem Jahr 1905 zu Frankreichs Marke geworden sei.
Macron: Religion zurück in die Schulen
"Der französische Säkularismus, der unsere Nachbarn manchmal überrascht, ist ein starker Zement unseres Landes", sagte Macron. Laizität sieht er als "metaphysisches Vakuum" an der Schnittstelle aller Glaubensrichtungen. Und doch: Damit der Dialog funktionieren kann, will er die Religion wieder in die Schulen bringen. Nicht als klassischen Religionsunterricht, sondern fächerübergreifend. Er will, dass Lehrer die Möglichkeit haben, die Geschichte Frankreichs, zu der die Laizität gehört, sowie "die Tatsache der Religion in ihrer Fülle" zu erklären. Die Idee kam zum ersten Mal nach den Attentaten im November 2015 auf. Experten kritisierten, dass junge Menschen zu wenig über Religion lernten. Das Nichtwissen mache es einfach für islamistische Gruppen, Anhänger zu finden. Seitdem ist nicht viel passiert, doch Macron hat nun eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die konkrete Vorschläge ausarbeiten soll.
Machtkämpfe unter muslimischen Vertretern
Der Staatspräsident strebt einen informellen, regelmäßigen Dialog mit den Religionsvertretern an. Sie seien ihm besonders wichtig, denn sie nähmen am "Leben der Nation" teil und trügen eine "immense Verantwortung". Doch ein strukturierter Dialog wirft auch Probleme auf. Wer soll daran teilnehmen? Jahrelang war der Dialog auf die christlichen Konfessionen ausgerichtet, die zumeist hierarchisch organisiert sind. Da ist es kein Problem, einen Ansprechpartner zu finden.
Anders sieht es bei den Muslimen aus. Immer wieder gibt es Machtkämpfe innerhalb des französischen Islamrats CFCM zwischen algerischen, marokkanischen und türkischen Vertretern. Zuletzt kündigte die Pariser Moschee im Januar an, das Gremium verlassen zu wollen. Der Grund: Der Rektor der Moschee, Dalil Boubakeur, wurde von Macron nicht zum Neujahrsempfang mit den Religionsvertretern eingeladen. Dass CFCM-Präsident Ahmet Ogras und dessen Amtsvorgänger Anouar Kbibech mit von der Partie waren, war Boubakeur wohl nicht genug.
Eine Lösung schlägt der Jura-Professor Thierry Rambaud vor. Seiner Meinung nach könnte eine Konvention die Beziehungen zwischen dem Staat und den Glaubensrichtungen formell regeln. Wer unterschreibt, soll nach "objektiven Kriterien" entschieden werden - zum Beispiel der Anzahl der Religionsmitglieder. Zudem schlägt er einen Rat der Religionsvertreter und Nichtgläubigen vor, der über dem Premierminister steht.