Primark stehe "für Manchesterkapitalismus pur", so Woelki beim Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer Wuppertal-Remscheid-Solingen. Es sei eine Herausforderung, dass die Kette ein Geschäft in der Stadt eröffne, "in der Friedrich Engels geboren wurde, in der Adolf Kolping wirkte und in der das Elberfelder Fürsorgemodell entstanden ist".
Woelki sagte, er setze Hoffnung auf das soziale Selbstbewusstsein der Stadt Wuppertal und der gesamten Region. Diese müssten Einfluss nehmen auf die Geschäfts- und Produktionsbedingungen eines Unternehmens, "das mehr an der Rendite als an den Lebensbedingungen der Männer und vor allem Frauen interessiert ist, die das fertigen, was vor allem unseren Kindern und Jugendlichen am Nächsten ist: Klamotten".
Menschenrechtler werfen dem Unternehmen vor, zu Lasten der Mitarbeiter Kleidung zu Dumpingpreisen zu produzieren. In Kleidungsstücken der Kette waren im vorigen Jahr eingenähte Hilferufe entdeckt worden; die Firma selbst sprach von einer Fälschung durch Kritiker. Auch in der im Mai 2013 eingestürzten Textilfabrik in Bangladesch mit mehr als 1.100 Toten hatten Arbeiter für Primark genäht.
"Diese Wirtschaft tötet!" (Papst Franziskus)
Der Kardinal mahnte eine soziale Marktwirtschaft an: "Märkte müssen politisch gestaltet und geordnet werden. Sonst kommen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und menschenwürdige Daseinsbedingungen nicht zueinander."
Geld, Wirtschaft, Kapitalmärkte oder Unternehmen hätten, so Woelki, keinen Selbstzweck. Sie seien "Mittel zur Gestaltung des Zusammenlebens, mit dem verantwortlich umzugehen ist". Die anwesenden Vertreter der regionalen Wirtschaft erinnerte der Kardinal an diese soziale Verantwortung. Er zitierte dazu aus der Enzyklika "Caritas in veritate" des emeritierte Papst Benedikt XVI.: "Die Kirche vertritt seit jeher, dass die Wirtschaftstätigkeit nicht als antisozial angesehen werden darf. Der Markt ist an sich nicht ein Ort der Unterdrückung des Armen durch den Reichen und darf daher auch nicht dazu werden. Die Gesellschaft muss sich nicht vor dem Markt schützen, als ob seine Entwicklung ipso facto zur Zerstörung wahrhaft menschlicher Beziehungen würde. Gleichzeitig habe Benedikt XVI. darauf aufmerksam gemacht, dass die Wirtschaft und das Finanzwesen sich tatsächlich schlecht auswirken könnten, wenn der Verantwortliche sich nur von egoistischen Interessen leiten lasse.
Wo das geschehe, urteile Papst Franziskus zurecht: "Diese Wirtschaft tötet!"
Transparenzstandards auch für die Kirche
Woelki räumte ein, dass auch Kirchen keine "societas perfecta" seien, sondern "Organisationen von fehlbaren Menschen". Dies hätten die Vorgänge rund um das Bistum Limburg und um die Vatikanbank "in beschämender Weise deutlich gemacht". Hier gelte es, für die Zukunft von den Transparenzstandards der Wirtschaft zu lernen. Für das Erzbistum Köln kündigte Woelki spätestens für den Februar eine Offenlegung der Bilanzen an.
Nach den Worten des Kardinals muss es im Sozialen darum gehen, Menschen so zu unterstützen, dass sie ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen. So dürfe die Politik nicht nur die Tafelbewegung beklatschen. Vielmehr müsse sie konkrete Maßnahmen zur Armutsbekämpfung ergreifen.
Warnung vor "Ghettoisierung"
Woelki forderte die Unternehmen auf, die Abschlüsse der Zuwanderer anzuerkennen und jugendlichen Migranten eine Ausbildungsperspektive zu geben. "Wir brauchen die Menschen, die zu uns kommen, um unsere Zukunft wirtschaftlich und zugleich sozial verantwortlich zu gestalten."
Abschließend warnte der Kardinal davor, die Zuwanderer an den Rand der Städte und der Gesellschaft zu drängen. Diese Menschen dürften nicht "ghettoisiert" werden. Ohne Teilhabe an Bildung und Arbeit drohe ein sozialer Sprengstoff, der "uns noch Hören uns Sehen vergehen lassen wird." Einwanderung müsse als "Chance und Verlebendigung" der Gesellschaft verstanden werden. Woelki schloss seine Rede mit den Worten: "Nur gemeinsam sind wir stark".