Frauen sollten nach Worten von Kardinal Walter Kasper in der römischen Kurie Leitungsaufgaben übernehmen, die nicht unbedingt an die Priesterweihe gebunden sind. Es sei etwa "absurd", dass Frauen in den Päpstlichen Räten für Familie, Kultur, Soziale Kommunikation und Laien bislang keine wichtige Rolle spielten, sagte der frühere Ökumeneminister des Vatikan im Interview der Südtiroler Kirchenzeitung "Sonntagsblatt". Die Kirche sei ohne Frauen bloß "ein verstümmelter Körper". Viele kirchliche Aktivitäten oder auch die Pfarrgemeinden seien ohne Mitwirkung von Frauen "undenkbar".
Sündenvergebung als Teil des Credos
Aufsehen hatte Kasper zuletzt durch einen Vortrag vor einem Kardinalstreffen im Februar in Rom erregt. In dem Referat auf Einladung von Papst Franziskus thematisierte er auch den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Niemand stelle die Unauflöslichkeit einer sakramentalen Ehe infrage, auch nicht er selbst, betonte Kasper im Gespräch mit dem "Sonntagsblatt". Ehebrecher lebten also in Sünde.
Dennoch sei auch die Sündenvergebung Teil des Credos.
"Wenn ein geschiedener Wiederverheirateter das Versagen in seiner ersten Ehe bereut, wenn er in seiner zweiten, nur zivil geschlossenen Ehe im Glauben lebt und seine Kinder christlich erzieht, sollten wir ihm dann das Sakrament der Buße und die Kommunion verweigern?", so der Kardinal.
Raus aus der Defensivhaltung
Grundsätzlich seien Ehe und Familie "das letzte Widerstandsnest gegen eine eiskalte Orientierung des Lebens hin zu Wirtschaft und Technik", sagte Kasper. Wichtig sei heute, "die Schönheit christlichen Familienlebens neu herauszustellen". Damit der Kirche dies gelinge, müsse sie sich aus ihrer "resignierenden Verstummung und Defensivhaltung" befreien, in die sie angesichts des gesellschaftlichen Wandels geraten sei.
Jede Reform im Vatikan beginne mit einer Änderung der Mentalität, so der 81-jährige Kardinal, also mit einer «Bekehrung hin zu einem Geist des Dienstes». Bestimmte Aufgaben könnten durchaus zeitlich befristet erteilt werden. Kaspers Vorschlag: "Man könnte Personen mit pastoraler Erfahrung aus den Diözesen einstellen, etwa mit Fünf-Jahres-Verträgen. Danach würden diese Mitarbeiter in ihre Diözesen zurückkehren und ihre Erfahrungen einbringen."
Berührung mit der Welt
Papst Franziskus habe bereits in seinem ersten Amtsjahr ein "Klima der Zuversicht, Hoffnung und Freude" entstehen lassen, so Kasper weiter. Er habe den Stil in der Kurie reformiert und dennoch als erste Priorität die Freude am Evangelium und den missionarischen Aufbruch betont. Franziskus wolle eine "offene Diskussion", wobei ihm zugutekomme, dass er selbst keine Berührungsängste gegenüber der heutigen Welt habe.
Er selbst sehe sich nicht als "Vorreiter" für Reformpläne des Papstes, sagte Kasper. "Der Papst weiß selbst, was er will, und geht zügig voran." Viele Ideen des Papstes deckten sich jedoch mit seinen eigenen Gedanken, "die seit langem in der Theologie, im Bischofsamt sowie bei Reisen zu Ortskirchen in aller Welt gewachsen sind".