Mit Blick auf die wiederverheirateten Geschiedenen habe das Kirchenoberhaupt, getragen vom Selbstverständnis einer lebendigen Tradition der Kirche "und durchaus auf den Spuren von Johannes Paul II.", eine "praktische Doktrin sozusagen etwas erneuert", sagte der Kardinal im Interview des Portals "Vatican News". Der Vorwurf der Häresie sei daher "völlig unangebracht".
Anlass ist die Veröffentlichung von Kaspers neuem Buch "Die Botschaft von Amoris laetitia, ein freundlicher Disput". Das Werk wird am Dienstagabend, einen Tag nach Kaspers 85. Geburtstag, in Rom vorgestellt.
Kritik an Kritikern
"Eine Häresie ist ein hartnäckiges Festhalten an einer Position, die direkt einem formulierten Dogma entgegensteht", erklärte Kasper. Er kenne kein Dogma zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene; dies sei "eine kirchliche Disziplin, zweifellos, aber kein Dogma".
Hier von Häresie zu reden, sei "völlig abwegig", betonte Kasper. Man könne "höchstens noch sagen, dass es sich um unterschiedliche Schulmeinungen handelt", und die habe es "schon immer in der katholischen Kirche gegeben".
Bei einigen Kritikern des Papstes machte der Kardinal eine "Verhärtung einer katholischen Position" aus, die "nicht wahrnimmt, dass natürlich auch Ehe und Familie eine geschichtliche Wirklichkeit ist, die sich heute anders darstellt als vor 100 oder 200 Jahren oder gar im Mittelalter". Dies gelte es beim Sprechen über das Ehe- und Familienleben heute zu berücksichtigen, so Kasper. Die "ganz große Mehrheit" der Gläubigen habe das Schreiben indes "sehr freudig begrüßt und aufgeatmet".