Das Gedenken an 500 Jahre Reformation werde eine ökumenische Chance sein, wenn dieses Jahr nicht der Abschluss, sondern ein Neubeginn des ökumenischen Ringens werde, sagte der Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen am Montag in Essen.
Nach Ansicht des vatikanischen "Ökumene-Ministers" kann es aber "nicht zu schnell zur Gemeinschaft" der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und der katholischen Kirche kommen. Vielmehr gelte es zunächst, den Konflikt auszuhalten. "Dazu haben wir allen Grund, wenn wir bedenken, dass es nach der Reformation zur Kirchenspaltung und im 16. und 17. Jahrhundert zu blutigen Konfessionskriegen gekommen ist, vor allem zum Dreißigjährigen Krieg, der das damalige Europa in ein rotes Meer von Blut verwandelt hat."
Erste Schritt: öffentlicher Bußakt
Katholiken und Protestanten hätten gemeinsam Grund, Klage zu erheben und Buße für Missverständnisse, Böswilligkeiten und Verletzungen zu tun, "die wir uns in den vergangenen 500 Jahren angetan haben", sagte Koch beim "Tag der Priester und Diakone" im Bistum Essen. Ein solcher öffentlicher Bußakt müsse jedenfalls - auch und gerade in katholischer Sicht - der erste Schritt beim gemeinsamen Reformationsgedenken sein.
Zum gemeinsamen Reformationsgedenken gehören nach den Worten Kochs auch Dankbarkeit und Freude über die gegenseitige Annäherung in den vergangenen 50 Jahren. Dazu komme die Hoffnung, weitere Schritte auf die ersehnte Einheit hin zu tun.
Ehe, Familie und Sexualität braucht eine Stimme
Allerdings sei das Ziel der ökumenischen Bewegung immer undeutlicher geworden, kritisierte der Kardinal. Es gebe kaum mehr einen Konsens darüber, was unter der wiederzugewinnenden Einheit der Kirche zu verstehen sei. Während katholische Kirche und Orthodoxie eine Einheit im Glauben, im sakramentalen Leben und in den kirchlichen Ämtern anstrebten, gehe es vielen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen um die Anerkennung der verschiedenen kirchlichen Realitäten.
In den vergangenen Jahrzehnten seien massive Spannungen und Divergenzen im Bereich der Ethik aufgetreten, so Koch. Dies betreffe vor allem bioethische und sozialethische Fragestellungen mit Blick auf Ehe, Familie und Sexualität "mit dem Vorzeichen des Gender-Mainstreaming". Wenn die Kirchen zu den großen Fragen der heutigen Zeit nicht mit einer Stimme sprächen, werde die christliche Stimme in den säkularisierten Gesellschaften immer schwächer.