Der emeritierte katholische Bischof von Mainz lobte am Dienstag in Duisburg vor Journalisten das große Engagement etwa in vielen Kirchengemeinden bei der Flüchtlingsbetreuung. Er sei "begeistert von der Hilfsbereitschaft" und staune, dass dieses Engagement überall zu spüren sei. Lehmann stellte sich als Mercator-Professor an der Universität Duisburg-Essen Fragen und hielt eine Vorlesung zum Thema "Fremde und Heimat im Widerstreit".
Die derzeit anhaltende politische Diskussion über eine mögliche Obergrenze von Flüchtlingen in Deutschland hilft nach den Worten von Lehmann nur eingeschränkt. "Begrenzung muss da sein, dass weiß eigentlich jeder. Wo die aber zu quantifizieren ist, weiß niemand. Allerdings darf man die Möglichkeit, dass die Belastung die Kräfte übersteigen kann, nicht leugnen", sagte er.
Mit Blick auf die Flüchtlingsfrage und ihre Bedeutung für die Bundestagswahl im kommenden Jahr sagte der Kardinal, es werde darauf ankommen, dass bei der Wahl die "richtige Grundstimmung" getroffen werde. "Noch haben wir Zeit, um einer Radikalisierung entgegen zu steuern."
Uralte Angst
In seiner Vorlesung wies der Mercator-Professor darauf hin, dass im Ausländerhass oder in der Abneigung gegen Ausländer eine "uralte Angst aufbricht". Zugleich zeige ein Blick in die Kulturgeschichte, "dass diese Fremdenangst auch überwindbar ist und einer regelrechten Kultur des Umgangs mit den Fremden weichen kann". Der Schutz von Flüchtlingen gehöre "vom Anfang der biblisch-christlichen Religion an zum genuinen Auftrag der Kirche. Immer mehr galt: Die Menschenrechte gelten auch für Rechtlose und Heimatlose", betonte der Kardinal.
Offenbar sei Flucht "ein kaum austilgbares Phänomen der Menschheitsgeschichte". Wirtschaftliche und soziale Not, aber auch Unfreiheit und Ungerechtigkeit seien dramatisch gestiegen und seien "heute für viele Menschen auf der Welt nicht weniger lebensgefährlich als Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität und politischer Gesinnung".
In diesem Sinne sei die Flüchtlingsbewegung heute zu einem "globalen Marsch geworden", sagte Lehmann vor einigen hundert Studierenden der Universität Duisburg-Essen. "Sie ist im Unterschied zu unserer früheren Erfahrung einer gewissen Regionalisierung ein Weltproblem geworden."