Kardinal Marx appelliert an Staatengemeinschaft

"Brutale Aggression" im Irak stoppen

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat die Staatengemeinschaft zu einem entschlossenen Handeln für die im Irak verfolgten Minderheiten aufgerufen. Am Sonntag besuchte er die chaldäisch-katholische Gemeinde in München.

Autor/in:
Barbara Just
Kardinal Marx besucht chaldäisch-katholische Gemeinde in München (KNA)
Kardinal Marx besucht chaldäisch-katholische Gemeinde in München / ( KNA )

Die Horrormeldungen aus dem Irak nehmen kein Ende. Immer weiter dringt die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) vor. Tausende von Christen sind auf der Flucht, meist nur mit dem, was sie auf dem Leib tragen. An die 30.000 Katholiken haben sich mittlerweile im Bistum Erbil im Kurdistan in Sicherheit gebracht, weitere 10.000 in Dehok. "Dringend benötigen sie psychologische Begleitung und finanzielle Unterstützung, um überleben zu können", sagt Pfarrer Sami Danka. Er ist Seelsorger für die Chaldäische Katholische Gemeinde München. Unter ihren Mitgliedern sind viele, die schon früher aus dem Irak fliehen mussten und nun um die Angehörigen in ihrer Heimat bangen.

Nach dem Gottesdienst am Sonntag in der Pfarrei Sankt Wolfgang, der in Aramäisch, der Sprache Jesu gefeiert wird, kommt überraschend ein hoher Gast vorbei: der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx. Mit seinem "spontanen Besuch" will er ein Zeichen der Solidarität setzen. Die chaldäischen Christen sollen sehen, wie die Menschen in der Erzdiözese mit ihnen und ihren Angehörigen im Irak mitleiden: "Wir alle sind erschüttert über die barbarische Gewalt."

Militärische Mittel gegen Völkermord

"Ganz ohnmächtig sind wir nicht!", betont Marx. Auch wenn es oft den Anschein habe, als ob man nichts tun könne. An die internationale Gemeinschaft appelliert er, die "brutale Aggression" der IS-Milizen gegen die Minderheiten im Irak zu stoppen. Gemeinsam müssten Wege und Mittel gefunden werden. "Das aber ist nicht Sache der Kirche." Zu möglichen Waffenlieferungen an die Kurden, wie sie derzeit in der Bundesregierung und im Parlament diskutiert werden, äußert er sich nicht. Allerdings hält der Kardinal militärische Mittel durchaus für geboten, um einen Aggressor am weiteren Völkermord zu hindern.

Die katholische Kirche sieht Marx vor allem in der Pflicht, humanitär zu helfen. Caritas und Misereor täten dies bereits. Auch einige Bistümer hätten gespendet, und die Bischofskonferenz wolle auf ihrer nächsten Sitzung darüber reden. Wie es etwa in Erbil aussieht, davon kann Pfarrer Danka berichten. Die Mitarbeiter dort seien mit den Flüchtlingsströmen überfordert. In den fünf chaldäischen Kirchen drängten sich die Flüchtlinge, um wenigstens nachts den Zeltunterkünften zu entkommen. "Überall sind Kinder, die nicht verstehen, was in ihrem Leben passiert", so der Pfarrer.

Die 17-jährige Vivien hat die Flucht aus Bagdad nach München schon hinter sich. Vor vier Jahren kam sie hierher, ohne je ein Wort Deutsch gesprochen zu haben. Mittlerweile beherrscht die junge Frau die Sprache perfekt. Sie hat einen Schulabschluss und ist dabei, sich zur Friseurin ausbilden zu lassen. Fadik (24) und Christopher (22) teilen ihr Schicksal, auch sie wollen dasselbe Handwerk erlernen. Obwohl es ihnen hier gefällt, und auch die Fußballbundesliga ihre Sympathie hat, bleibt aber der Irak ihre Heimat. "Wenn es geht, will ich irgendwann wieder zurück", sagt Vivien.

Exodus geht weiter

Die Christen müssten die Möglichkeit haben, dort leben zu können, wo sie aufgewachsen seien und wo ihre Kultur sei, meint auch Kardinal Marx. Doch bis es irgendwann wieder soweit ist, bemühen sich die chaldäischen Christen in Deutschland in Verbindung mit ihren Angehörigen im Irak zu bleiben. Vor allem soziale Netzwerke helfen dabei. Doch wenn Netz und Strom fehlen, klappt es mit Facebook auch nicht.

Der Exodus aus dem Irak geht derweil weiter. 500.000 Christen lebten 2003 noch im Irak, weiß Danka. Bis zu diesem Jahr habe sich ihre Zahl auf 100.000 verringert. Mittlerweile seien auch die letzten vor dem islamischen Terror geflohen. In Bayern haben sich rund 6.500 chaldäische Katholiken niedergelassen, mit 4.500 die meisten im Großraum München. Marx betet mit den anwesenden Gottesdienstbesuchern zum Abschluss gemeinsam das Vaterunser. Das Gebet sei die "spirituelle Waffe", das die Christen untereinander verbinde, ruft er in Erinnerung. Dann nimmt sich der Kardinal noch ein wenig Zeit zum Small-Talk mit Groß und Klein und verabschiedet sich mit den Worten: "Danke, dass ich den Besuch machen durfte."


Kardinal Marx besucht eine Flüchtlingsfamilie (KNA)
Kardinal Marx besucht eine Flüchtlingsfamilie / ( KNA )
Quelle:
KNA