Vier Jahre nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus sieht Reinhard Kardinal Marx die katholische Kirche in einer lebhaften Diskussion. "Vieles ist geschehen. Viele bewundern ihn, manche sind skeptisch und voller Sorge, wie der Weg weitergeht", sagte der Erzbischof von München und Freising am Mittwochabend bei einem Pontifikalamt in Bamberg. Dort findet derzeit die Frühjahrsvollversammlung der Freisinger Bischofskonferenz statt. Marx ist deren Vorsitzender und zugleich Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
Manche würden von einem Wendepunkt sprechen, andere von Anpassung an den Zeitgeist, sagte der Kardinal. Es sei nicht schlecht, dass theologisch gestritten werde. "Das gehört zum Leben der Kirche dazu", erklärte Marx mit Bezug auf die anhaltende Debatte um das päpstliche Schreiben "Amoris laetitia" und die Linie der Kirche insbesondere in der Ehe- und Familienpastoral. Zugleich wies er Kritik am Kurs des Papstes zurück: "Franziskus betreibt keine Abkehr von der Tradition der Kirche, sondern eine Vertiefung dessen, was Jesus und die Propheten lehren. Nein, dieser Papst predigt kein anspruchsloses Christentum, er predigt die Vollendung in der Liebe."
Der Kardinal erinnerte daran, dass die Heilige Schrift keine Ansammlung von Vorschriften sei. "Es geht nicht darum, lebensferne Normen zu erfüllen, sondern darum, jeden Tag zu fragen: Lebe ich im Bund mit Gott?" Eine zentrale Bedeutung komme dabei dem Gewissen zu. Marx warnte davor, "Gesetze vor Gott aufzurichten und sie zur eigenen Selbstbehauptung vor Gott zu benutzen". Die Gesetze der Kirche seien vielmehr als eine Einladung zu verstehen, die Liebe zu leben, das eigene Leben im Sinne von Jesus zu formen.