Kardinal Marx macht sich für kostenlose Kindergartenplätze stark

"Wichtiger als gebührenfreies Studium"

In Nordrhein-Westfalen freuen sich seit dieser Woche Eltern über die Beitragsbefreiung für das letzte Kindergartenjahr. Kardinal Reinhard Marx geht noch weiter: Er plädiert für ein grundsätzlich kostenloses Angebot.

 (DR)

"Die finanzielle Förderung einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Erziehung ist wichtiger als beispielsweise ein gebührenfreies Studium", schreibt der Erzbischof von München und Freising in einem Kommentar für die "Financial Times Deutschland" am Dienstag (02.08.2011). Eine Politik, die Bildungsgerechtigkeit herstellen wolle, werde deutlich mehr Geld in die Hand nehmen und überlegen müssen, wie es auf die Bildungszweige zu verteilen sei.



Der Wirtschafts- und Sozialexperte der Deutschen Bischofskonferenz lässt Skepsis gegenüber Steuersenkungsabsichten erkennen. "Steigende Einnahmen des Staates sollten vorrangig zum Schuldenabbau verwendet werden", schreibt Marx. Das erreichte Ausmaß der Staatsverschuldung sei langfristig nicht tragbar.



"Chancen für alle"

Unter der Zeitungsüberschrift "Was ist heute konservativ?" wirbt der Kardinal für einen Abschied von alten Denkmustern. In den 1950er Jahren hätten unter Ludwig Erhards Leitwort "Wohlstand für alle" breite Schichten der Bevölkerung den Eindruck gehabt, dass für sie der gesellschaftliche Fahrstuhl nach oben fahre. Heute müssten manche schon auf den unteren Etagen aussteigen oder stiegen überhaupt nicht erst ein. Die wachsende Ungleichheit werde von vielen als Ungerechtigkeit empfunden.



Das neue Leitwort müsse "Chancen für alle" heißen, so Marx. "Wir brauchen eine durchlässige, integrierende, inkludierende Gesellschaft." Dies sei auch das zentrale Anliegen der kirchlichen Soziallehre. So müsse ein "sozialversicherungspflichtiges Normalarbeitsverhältnis" Ziel der Arbeitsmarktpolitik sein. Die Ausweitung von geringfügiger Beschäftigung und Leiharbeit habe sich dabei "nicht als Königsweg" erwiesen.