Kardinal Marx ordnet Gespräche der Bischöfe im Vatikan ein

In Rom "keine Watschn" bekommen

Kardinal Reinhard Marx hat deutlich gemacht, dass die deutschen Bischöfe bei ihrem Ad-limina-Besuch sehr offen mit Papst Franziskus gesprochen haben. Dabei sei keinerlei Schlusspunkt für das Reformprojekt Synodaler Weg gesetzt worden.

Kardinal Reinhard Marx / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kardinal Reinhard Marx / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Das sagte Marx am Montag im Münchner Presseclub. Auch die weiteren Gespräche mit den Kardinälen seien nicht so verlaufen, dass man behaupten könne, "wir haben eine Watschn bekommen und jetzt hören wir auf, packen unsere Koffer und der Synodale Weg ist damit beendet".

Kein Beschluss des Papstes

Die danach veröffentlichten Reden des Präfekten des Glaubens-Dikasteriums, Luis Ladaria, und des Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe, Marc Ouellet, seien "Vorträge" gewesen, betonte der Kardinal. Es habe sich um eine Meinung gehandelt, aber nicht um einen Beschluss des Papstes. Den Moratoriumsvorschlag für das Reformprojekt habe die Mehrheit der deutschen Bischöfe "sehr deutlich" zurückgewiesen.

Die Kardinäle Ladaria, Parolin und Ouellet im Gespräch mit den deutschen Bischöfen / © Romano Siciliani (DR)
Die Kardinäle Ladaria, Parolin und Ouellet im Gespräch mit den deutschen Bischöfen / © Romano Siciliani ( DR )

Schließlich sei man nicht allein Veranstalter des Synodalen Wegs, sondern gemeinsam mit den Laien: "Da kann man nicht sagen, die lassen wir jetzt mal beiseite. Das ist eine Art, da bin ich nicht so dafür."

Vom Synodalen Weg überzeugt

Marx unterstrich, dass er nach wie vor vom Synodalen Weg überzeugt sei. Das Reformprojekt der katholischen Kirche in Deutschland sei zwar nicht die Lösung aller Probleme, aber ein guter Weg, der viele notwendige Diskussionen auch weltweit in der Kirche in Gang bringen werde.

Die Kirche sei missionarisch in allen Kulturen nach vorne gekommen, wenn die Leute gespürt hätten, "hier ist Hoffnung, hier wird meinem Leben aufgeholfen, hier wird meine Angst vor dem Leben und Sterben weggenommen".

Teilnehmer auf der vierten Synodalversammlung in Frankfurt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Teilnehmer auf der vierten Synodalversammlung in Frankfurt / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Beim Synodalen Weg würden Fragen aufgeworfen und es werde mit theologischen Argumenten gearbeitet, erinnerte Marx. Dennoch wisse jeder in der katholischen Kirche in Deutschland, dass weltkirchliche Probleme nicht auf deutscher Ebene gelöst werden könnten.

Zugleich empfahl der Kardinal: "Man muss auch nicht jede kleine Äußerung des Papstes, die er nebenbei mal im Flugzeug sagt, zum unfehlbaren Lehramt erklären." Er, Marx, sage gelegentlich seinen Leuten: "Werdet erwachsen, und guckt nicht immer, was Papa macht."

Staat kann bei Missbrauchsbekämpfung mehr tun

Grundsätzlich offen ist Münchner Kardinal für eine unabhängige Ombudsstelle für Betroffene von Missbrauch. Der Staat könne gerne etwas tun, sagte Marx weiter. Doch wenn er eine solche Stelle einrichten sollte, dann nicht nur für die Kirche, "sondern für alle".

Hintergrund ist ein Vorschlag von Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Der Kardinal zeigte sich zugleich auch überrascht.

Denn jüngst habe es ein Kabinettsgespräch von zwei Stunden zwischen Kirche und Regierung über die Thematik gegeben. Deshalb hätte er erwartet, "das man uns auch mal fragt".

Leerer Stuhl in einer Kirche / © Harald Oppitz (KNA)
Leerer Stuhl in einer Kirche / © Harald Oppitz ( KNA )

Er sei sehr dafür, dass sich der Staat noch intensiver engagiere, sagte Marx. Aber dann müsse er das ganze Feld in den Blick nehmen und nicht nur die Fälle in der Kirche. Er wisse keinen anderen Bereich, "wo nur annähernd das unternommen wurde, was wir bis jetzt gemacht haben".

Er wisse nicht, wie man auf die Münchner Erzdiözese bezogen sagen könne, die Kirche könne es nicht und mache nichts. "Das ist unglaublich." Dabei verwies der Kardinal auf die Einrichtung des Betroffenenbeirats und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission. Der Staat könne ja die Präventionsmaßnahmen in allen Bereichen evaluieren, schlug Marx vor. Das fände er sehr gut. Aber zu sagen, die Kirche tue nichts, stimme einfach nicht.

Staatsleistungen "nach Recht und Gesetz" ablösen

Kardinal Marx hat sich unterdessen dagegen verwahrt, im Zusammenhang mit den geplanten Ablösungen von Staatsleistungen den Kirchen überzogene Forderungen vorzuwerfen. Hier gehe es nicht darum, dass die Kirche Geld wolle, sondern dass der Staat die rechtlich verpflichtenden Leistungen ablösen wolle, sagte Marx am Montag im Münchner Presseclub. Diese Tatsache werde oft völlig verdreht. Die katholische Kirche sei für eine entsprechende Regelung offen, "aber es muss nach Recht und Gesetz gehen".

Bistum Regensburg rechnet mit weniger Geld / © godongphoto (shutterstock)
Bistum Regensburg rechnet mit weniger Geld / © godongphoto ( shutterstock )

Schon seit Jahrzehnten werde diese Diskussion immer wieder geführt, erinnerte Marx. Die Länderregierungen hätten daran nicht so sehr Interesse gehabt, weil es um hohe Summen für sie gegangen wäre. Viele seien deshalb der Meinung gewesen, es lieber zu lassen. Die Ampelregierung wolle die Sache aber nun mit einem Bundesgesetz lösen.

Inwieweit man den Ländern Spielraum lasse, bleibe abzuwarten. Die Verhandlungen liefen.

"Hoffentlich gibt es eine gute Einigung", erklärte Marx. Denn die Kirchen könnten nicht einfach darauf verzichten. Als der Staat 1803 der Kirche die landwirtschaftlichen Pfründe genommen habe, sei ihr für Jahrhunderte die finanzielle Grundlage entzogen worden. Deshalb habe der Staat dies mit seinen Leistungen ausgeglichen.

Die Staatsleistungen gehen zumeist auf das Jahr 1803 zurück, als Kirchengüter enteignet wurden. Sie umfassen Geld- oder Sachmittel, in manchen Fällen aber auch die Übernahme der Besoldung von Bischöfen, Domherren und Zuschüssen zu Pfarrergehältern. Der Auftrag zur Ablösung ist schon in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 festgeschrieben. 1949 wurde er ins Grundgesetz übernommen. Die Grundsätze hierfür muss die Bundesebene festlegen. In der vergangenen Legislaturperiode legten Grüne, Linke und FDP dazu bereits einen Gesetzentwurf vor, für den sich aber keine Mehrheit im Bundestag fand.

Sprechen über Gott und Grabinschriften

Weiter ist der Münchner Kardinal davon überzeugt, dass man nicht mehr, sondern weniger über Gott reden sollte. Diese These sei eine Provokation, räumte Marx ein. "Aber was wissen wir denn über ihn?" Der Kirchenmann plädierte dafür, "ein bisschen" zurückhaltender zu sein; es werde in Gott zu viel hineinfantasiert. Schon der Theologe und Jesuit Karl Rahner (1904-1984) habe einmal gesagt, dass jedes Wort und Bild in Bezug auf Gott nur analog zu verstehen sei. Der Anhaltspunkt für Christen sei der "Mann aus Nazareth".

Theologe Karl Rahner (l.) und Joseph Ratzinger, Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in Regensburg, auf der Vollversammlung der gemeinsamen Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg am 10. Mai 1972. / © Ernst Herb (KNA)
Theologe Karl Rahner (l.) und Joseph Ratzinger, Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in Regensburg, auf der Vollversammlung der gemeinsamen Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg am 10. Mai 1972. / © Ernst Herb ( KNA )

In diesem Zusammenhang wies Marx auf den Grabstein des früheren Bundespräsidenten und bekennenden Protestanten Johannes Rau (1931-2006) hin. Darauf stehe in der Luther-Übersetzung jener Satz aus dem Evangelium, den eine Magd auf Petrus bezogen spreche: "Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth." Wenn mal über seinem eigenen Grab stehen sollte "Der Marx war auch einer aus dieser Jesus-Truppe", dann wäre ihm das genug, so der Kardinal.

Ad-limina-Besuch

Alle fünf bis sieben Jahre sind die katholischen Bischöfe aus aller Welt laut Kirchenrecht zu einem sogenannten Ad-limina-Besuch im Vatikan verpflichtet. Zweck ist, dass die Bischöfe eines Landes den Papst über die Situation in ihren Diözesen informieren. Neben den Gesprächen mit dem Papst sind Treffen in den Vatikanbehörden vorgesehen.

Ein Pileolus liegt auf dem Liedheft während des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischofe / © Massimiliano Migliorato/CPP (KNA)
Ein Pileolus liegt auf dem Liedheft während des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischofe / © Massimiliano Migliorato/CPP ( KNA )
Quelle:
KNA