Kardinal Reinhard Marx, der einem Beratergremium von Papst Franziskus angehört, sprach sich für Reformen in seiner Kirche aus. Die katholische Kirche sei weder ein Museum noch Weltkulturerbe. Er selbst habe keine Angst vor Veränderungen. "Da bin ich ganz katholisch: Ich glaube daran, dass der Herr selber seine Kirche führt", so Marx. Der Papst habe das auch immer gesagt. Es könne sich "viel mehr ändern an äußeren oder rechtlichen Dingen, als manche meinen." Davor dürfe man nicht zurückschrecken. "Man sollte mehr Mut haben zu schauen, was ist wirklich das, was nicht veränderlich ist, und was können und müssen wir ändern?" Marx sagte, er sei froh, dass Papst Franziskus den Impuls "zur Unruhe und zum Reden" gegeben habe.
"Fremdenfeindlichkeit ist eine Schande"
Des Weiteren hat der Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Deutschland als "Schande" bezeichnet. Für die katholische Kirche sei es entsetzlich, was hierzulande gerade passiere. "Mir tut das physisch weh, wenn ich Leute mit Hitlergruß und Naziparolen sehe", sagte Marx dem Magazin "Der Spiegel". "Ausländerfeindlich und katholisch zu sein geht nicht zusammen." Hassparolen seien nicht akzeptabel. An Menschen, die bei Rechten mitmarschierten, appelliere er: "Haltet euch unbedingt fern davon", so Marx. Er hob hervor, dass viele ehrenamtliche Helfer und andere Unterstützung für Flüchtlinge aus der Kirche kämen.
Gefahr durch Parolen in sozialen Netzwerken
Besorgt äußerte sich Marx über die Entwicklung in den sozialen Netzwerken, vor allem über die "Beschleunigung der Diskussion" und eine "Verkürzung zur undifferenzierten Schlagwortdebatte, zum Kämpferischen". Einfache Antworten, kurze Texte forcierten oft Angriffe und Gegenangriffe und Aggressionen "auch unter der Gürtellinie", sagte Marx. Es herrsche zwar Meinungsfreiheit, aber es gebe "rote Linien".
Aufgabe der Kirche
Der Kardinal rief dazu auf, innerhalb der Kirche nicht wegzusehen. "In kirchlichen Kreisen sollten wir sehr gut aufpassen, wenn einer steile Thesen vertritt. Zündeln am rechten oder linken Rand ist unverantwortlich, für jeden!"
Marx sagte, dass es für alle Asylbewerber faire und zügige Verfahren geben müsse. "Aber wir als Kirchen waren immer skeptisch gegenüber der Kategorie 'Sicheres Herkunftsland'." Er sei auch dagegen, "dass man ganz generell sagt, nur weil ihr aus Armutsgründen kommt, seid ihr eigentlich weniger wert und gehört gar nicht hierhin".
Nötig sei ein europäisches Konzept, wie man mit diesen Staaten umgehe, damit sie sich entwickeln könnten. "Das entbindet uns nicht von der Verpflichtung, auch in diesen Ländern zu helfen."
Wiederverheiratete Geschiedene
Angesichts der Debatte über wiederverheiratete Geschiedene betonte der Kardinal: "Wenn jemand einen neuen Partner gefunden hat, darf das nicht bedeuten, dass er automatisch von der Kirche verstoßen wird." Es gebe unterschiedliche Fälle: "Jemand wird schuldlos verlassen, manche leben sich auseinander. Um dem gerecht zu werden, könnte es eine seelsorgliche Begleitung im Einzelfall geben." Marx sagte: "Wenn man das endlich auch theologisch verantwortlich ausformulieren und offiziell festschreiben könnte, wäre es ein Fortschritt."
Transparenter Vatikan
Mit Blick auf Veränderungen innerhalb des Vatikan seien in der vergangenen Zeit die Finanzen und die Vatikanbank "sehr schnell angepackt" worden. "Das ist noch nicht zu Ende, es war aber ein gewaltiger Schritt nach vorn." Seit etwa einem Jahr werde die "gesamte Ökonomie" des Vatikan transparenter gemacht, sagte Marx, der auch Koordinator des päpstlichen Wirtschaftsrates ist. "Wir versuchen, den Vatikan-Haushalt 2016 erstmals entsprechend internationalen Standards vorzulegen."