Kardinal Müller würdigt Missbrauchs-Analyse von Benedikt XVI.

"Das Übel beim Namen genannt"

Gerhard Ludwig Kardinal Müller hat die jüngsten Äußerungen von Benedikt XVI. zum Missbrauchsskandal gewürdigt. Es handle sich um "die tiefgründigste Analyse der Genese der Glaubwürdigkeitskrise der Kirche in Fragen der Sexualmoral".

Papst em. Benedikt XVI. und Kardinal Gerhard Ludwig Müller im Jahr 2014 / © Paul Haring (KNA)
Papst em. Benedikt XVI. und Kardinal Gerhard Ludwig Müller im Jahr 2014 / © Paul Haring ( KNA )

Das sagte der frühere Präfekt der Glaubenskongregation in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des österreichischen Internetportals kath.net.

"Nicht mit Worthülsen wie Klerikalismus oder Forderung nach einer Sexualmoral nach dem egoistischen Lustprinzip kommen wir aus der Krise, sondern nur wenn das Übel beim Namen genannt wird", so der Kardinal weiter. Das grundsätzliche Problem bestehe in einem Zusammenbruch der bürgerlichen Moral und dem aus seiner Sicht missglückten Versuch "einer katholischen Moralbegründung ohne das Naturrecht und die Offenbarung", so Müller.

Aufsatz von Benedikt XVI.

Am Donnerstag hatten mehrere Medien einen Aufsatz von Benedikt XVI. mit dem Titel "Die Kirche und der Skandal des sexuellen Missbrauchs" publiziert. Darin sieht der emeritierte Papst einen Verfall der kirchlichen Morallehre und eine zunehmende Gottlosigkeit in Kirche und Gesellschaft als Hauptursachen der Missbrauchskrise.

Zu Beginn seines Aufsatzes schreibt Benedikt XVI., dass es zur "Physiognomie der 68er Revolution" gehört habe, dass auch Pädophilie erlaubt sei. In derselben Zeit habe sich ein "Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie" ereignet, der auch Teile der Kirche "wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft" gemacht habe.

Fehlender Anstand?

Bei Theologen aber auch Vertretern von Missbrauchsopfern stießen die Thesen auf Widerspruch. "Benedikt XVI. baut einen Popanz auf, um einen Schuldigen dafür ausmachen zu können, warum Missbrauch stattfand – und systematisch vertuscht wurde", schrieb etwa der Freiburger Moraltheologe Magnus Striet in einem Gastbeitrag für das Portal katholisch.de. Zustimmung kam dagegen von Kurienkardinal Robert Sarah, der auf Twitter kommentierte, Benedikt XVI. bleibe "ein Lehrmeister des Glaubens".

Kardinal Müller warf Kritikern des emeritierten Papstes fehlenden Anstand vor. "Das sind Leute, die weder glauben noch denken." Und weiter: "Man spricht von Erneuerung und Reform der Kirche und meint nur die Anpassung an die eigene Dekadenz."


Quelle:
KNA