"Bei uns ist ein Dienstleistungsproletariat entstanden. Und die Menschen, die dazu gehören, haben keine Chance, da rauszukommen", betonte Kardinal Woelki laut "Kölnischer Rundschau". Als Beispiel nannte Woelki er Paketfahrerin, die 50 Stunden in der Woche arbeitet und dafür 900 Euro verdient. "Genau das ist das Einfallstor für eine Entsolidarisierung", warnte er. Diese Menschen, so der Kardinal, fühlten sich zu kurz gekommen und fragten sich angesichts der Hilfe für Flüchtlinge: "Wer hat mich im Blick?"
Bewusstsein schärfen
Woelki warnte davor, sozial schwache Mitbürger und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen. Zugleich nannte er den Klimawandel als eine noch unterschätzte Fluchtursache. "Wir haben nur eine Welt, eine zweite gibt es nicht." Eine Milliarde Menschen lebe ohne direkten Zugang zu Trinkwasser, 850 Millionen seien unterernährt.
"Vielen von uns ist noch gar nicht bewusst, wie viele vor den Folgen des Klimawandels zum Beispiel noch aus Afrika flüchten werden", sagte Woelki. Diese Fluchtbewegung werde weit größere Dimensionen haben als aktuell die Flucht vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Europa dürfe sich nicht darauf beschränken, den Flüchtlingsstrom bloß als eine Chance für die eigene Wirtschaft zu begreifen. "Wir können nicht die Intelligenz abschöpfen und hierbehalten. Wir müssen die Menschen dazu befähigen, nach ihrer Rückkehr zum Beispiel nach Syrien dort eine friedliche und demokratische Gesellschaft aufzubauen."
"Eine Wirtschaft, die tötet"
Woelki ging mit der Konsumgesellschaft hier und den Produktionsbedingungen in anderen Ländern scharf ins Gericht. Wenn es heute zur Mode werde, "für Kleidung drei bis fünf Euro zu bezahlen, um sie nachher nicht mehr zu waschen, sondern einfach wegzuwerfen, dann hat Papst Franziskus Recht: Das ist eine Wirtschaft, die tötet."