Alles deutet darauf hin, dass der Co-Pilot der Germanwings-Maschine absichtlich den Absturz herbeigeführt hat und somit für den Tod von 149 Menschen verantwortlich wäre. Um die Frage, ob beim Gedenk-Gottesdienst am 17. April im Kölner Dom auch für den Co-Piloten eine Kerze entzündet werden soll, ist nun eine Debatte entstanden. Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine hatte sich für das Aufstellen von 150 Kerzen ausgesprochen. "Auch seine Angehörigen haben einen Verlust zu beklagen. Das Anzünden von Kerzen wäre ein würdevolles Symbol, mit dem man der Toten gedenken kann", sagte Kleine dem Kölner Express.
Münsters Bischof Felix Genn hatte an Karfreitag auch den Co-Piloten ins Gebet einbezogen. "Wir dürfen es sogar wagen, dem Erlöser der Welt denjenigen anzuvertrauen, der dieses tiefe Leid verursacht hat, dass er sich im Abgrund seines Tuns für die Gnade des Erlösers öffnen kann", sagte Genn.
Der Vorsitzende des Vereins "Gesellschaft für Opferrechte", Rechtsanwalt Christof Wellens, sagte dagegen dem Express: "Ich halte die Aufstellung von 150 Kerzen für problematisch". Nicht alle Angehörigen seien schließlich jetzt schon bereit, dem mutmaßlichen Verursacher des Absturzes zu vergeben. "Wäre der Co-Pilot psychisch krank – und damit nicht voll schuldfähig – hätte er Barmherzigkeit und Mitleid verdient. Aber solange unklar ist, ob der Co-Pilot Täter oder Getriebener ist, sollte man eine andere Form der Zeremonie wählen", erklärte Wellens.
Kardinal Woelki: Nicht zwischen Opfer und Täter unterscheiden
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, der dem Gottesdienst am 17. April gemeinsam mit Präses Annette Kurschus vorstehen wird, spricht sich dafür aus, das Urteil über dem Absturz Gott zu überlassen: "Es steht uns nicht zu, zu urteilen. Es sind 150 Opfer. Unser aller Leben liegt in Gottes Hand." Er verstehe die Not, die Betroffenheit und auch die Wut der Angehörigen, so Woelki. Aber alle Menschen bedürften des Gebetes. "Wir sollten nicht zwischen Täter und Opfer unterscheiden, sondern für alle, die in diesem Flugzeug von dieser Katastrophe mit betroffen gewesen sind, beten", sagte der Kardinal gegenüber domradio.de. Das sei das Einzige, das in dieser Stunde möglich sei.
Auch der katholische Moraltheologe Prof. Peter Schallenberg von der Theologischen Fakultät Paderborn befürwortet das Aufstellen einer Kerze für den Täter: "Das halte ich für vollkommen richtig. Was moralisch richtig ist, muss von der Frage unterschieden werden, was juristisch richtig ist", sagte Schallenberg am Freitag gegenüber domradio.de. Mit dem Tod ende die Perspektive des Nachrechnens. Barmherzigkeit und Gebet sei auch für Menschen, die schwere Schuld auf sich geladen haben, der richtige Weg. "Als Christen zünden wir Kerzen an nicht nur für Menschen, deren wir in Liebe gedenken, sondern auch für Menschen, von denen wir glauben, dass sie die Barmherzigkeit Gottes besonders nötig haben," so Schallenberg weiter.
Schallenberg: Barmherzigkeit kann verstörend wirken
Der Moraltheologe verweist auf die eigentliche Aufgabe der Kirche, über die bloße Gerechtigkeit hinauszuschauen auf das, "was wir Barmherzigkeit nennen". Die Barmherzigkeit im Alten Testament sei nicht nur eine herstellende Gerechtigkeit, sondern eine "überbietende Gerechtigkeit". Nur diese alleine könne etwas "wiederherstellen, das aus menschlicher Kraft nicht wieder hergestellt werden kann".
Schallenberg räumt ein, dass eine solche Barmherzigkeit gegenüber Tätern auf die Opfer durchaus verstörend wirken könne. Aber es gebe eine moralische Pflicht des Christenmenschen, mit dem Tode einen Schlussstrich zu ziehen und für den "Verstorbenen unabhängig einer juristischen Schuld aus Leibeskräften zu beten und ihn Gottes Barmherzigkeit anzuvertrauen". Mit dem Tode ende ein "mehr oder weniger an Schuld", sagte Schallenberg.