Der Hinterhof des Wohnkomplexes in der Harzer Straße 64-67 in Neukölln ist gut besucht. In einem großen Zelt sitzen rund 200 Bewohner und Gäste auf Bänken an langen Tischen. Eine Band spielt. Kardinal Rainer Maria Woelki ist am Freitag gekommen, um die sanierten Wohnhäuser für zugewanderte Roma einzuweihen. In seiner Predigt mahnte er, Berlin tue sich auch heute noch schwer damit, Roma und Sinti wie allen anderen zu begegnen.
Der Berliner Erzbischof erinnert daran, dass die Mieter dort bisher unter menschenunwürdigen Bedingungen gelebt hätten. Der Zustand der Häuser sei unvorstellbar gewesen. Kinder hätten auf hohen Müllbergen gespielt, 2.000 Ratten seien auf dem Gelände gezählt worden. Die Fenster der Wohnungen seien nicht isoliert, die Treppenhäuser völlig verdreckt gewesen. Jetzt könne sich das Projekt sehen lassen, betont der Kardinal.
Die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft habe die stark heruntergekommenen Gebäude gekauft und seit August 2011 instand gesetzt, sagt Projektleiter Benjamin Marx. Die Roma hätten hier schon unter prekären Bedingungen gelebt. Der Voreigentümer habe die Anlage völlig verwahrlosen lassen, fügt Marx hinzu. Die Wohnungen seien unter- und zwischenvermietet worden und hätten teilweise Matratzenlagern geähnelt. Es habe keine geordneten Verhältnisse gegeben. Zur Investitionssumme äußerte er sich nicht.
Wohnprojekt von internationaler Bedeutung
Das Unternehmen sei durch einen Makler auf das Projekt aufmerksam geworden und habe es übernommen, ergänzt der Projektleiter. Anfangs seien die Bewohner skeptisch gegenüber den neuen Eigentümern gewesen. "Aber als sie sahen, dass sich die Verhältnisse zum Positiven wenden, sei das Vertrauen schnell gewachsen", sagt Marx.
Das Projekt kirchlicher Wohnungswirtschaft sieht den Angaben zufolge auch Integrationsangebote vor. So können die rund 600 Bewohner der 137 Wohnungen gegen Bezahlung die Reinigung der Treppenhäuser und Hofflächen sowie die Pflege der Grünanlagen übernehmen.
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sagt, das Wohnprojekt sei nicht nur national vorbildhaft, sondern auch international von Bedeutung. Es ermögliche den Bewohnern ein menschenwürdiges Dasein und könne auch dazu beitragen Vorurteile und Rassismus gegenüber dieser Minderheit abzubauen.
Mahnmal für ermordete Sinti und Roma am Reichstag
Am 24. Oktober werde vor dem Berliner Reichstag das Mahnmal für die während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland ermordeten Sinti und Roma eingeweiht, sagt Rose. Damit bekenne sich der Staat zu seiner historischen Verantwortung und setze ein Zeichen gegen Rassismus gegenüber dieser Minderheit.
Ein großformatiges Porträt von Arnold Fortuin schmückt die Fassade eines der an der Straße gelegenen Wohnhäuser, nach ihm ist der Wohnkomplex auch benannt. Der deutsche Priester bewahrte während der NS-Diktatur Hunderte Sinti und Roma vor dem Gastod in den Konzentrationslagern. Projektleiter Marx erklärt: "Fortuin ist der Oscar Schindler der Sinti und Roma."
Kardinal Woelki weiht Wohnkomplex für Roma in Berlin-Neukölln ein
Gegen Verwahrlosung
Hohe Müllberge, kaum isolierte Wohnungen - das war ein unzumutbarer Zustand für die Roma-Familien im Berliner Stadtteil Neukölln. Die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft, die zur katholischen Kirche gehört, hat sich dem Wohnkomplex angekommen und für eine Komplettsanierung gesorgt. Kardinal Rainer Maria Woelki hat den Wohnkomplex "Arnold-Fortuin-Haus" nun eingeweiht.
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