Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki geht juristisch gegen einen seiner härtesten Kritiker, den Kirchenrechtler Thomas Schüller, vor. Auch gegen die "Bild"-Zeitung habe er eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung im Eilverfahren beantragt, sagte am Mittwoch eine Sprecherin des Landgerichts Köln.
Hintergrund der Verfahren sind Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Präsidenten der katholischen Sternsinger, Winfried Pilz (1940-2019). Woelkis Vorgänger Kardinal Joachim Meisner hatte Pilz 2014 Kontakt zu Minderjährigen verboten. Nach dem Tod von Pilz 2019 veröffentlichte das Erzbistum Köln gleichwohl einen überschwänglichen Nachruf auf den Geistlichen, der das berühmte Kirchenlied "Laudato si" verfasst hatte. Da Nachrufe von verstorbenen Priestern in der Regel auch vom Erzbischof unterzeichnet werden, halten kirchliche Kenner der Materie es für sehr unwahrscheinlich, dass der Kardinal gerade in der Causa Pilz nicht konsultiert wurde.
Nicht mit dem Fall befasst
In einer eidesstattlichen Versicherung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, erklärt Woelki, er sei bis Juni 2022 nie mit dem Fall Pilz befasst gewesen. Deshalb sei der Vorwurf ungerechtfertigt, er hätte über die Vorwürfe gegen Pilz das Bistum Dresden-Meißen informieren müssen, wo dieser seinen Lebensabend verbracht hatte. Kirchenrechtler Schüller hatte der "Bild"-Zeitung gesagt, es sei als Dienstpflichtverletzung zu werten, dass Woelki die Dresdner nicht eher unterrichtet habe.
Innerkirchliche Stimmen werfen die Frage auf, ob es wirklich sein könne, dass Kardinal Woelki von den Vorwürfen gegen Pilz nichts gewusst habe und nicht mit ihnen "befasst" gewesen sei. So werde Pilz - wenn auch nicht namentlich - in einem von Woelki in Auftrag gegebenen Missbrauchsgutachten des Strafrechtlers Björn Gercke erwähnt. Auch habe Woelki erklärt, dass er sich alle Verdachtsfälle im Erzbistum noch einmal habe vorlegen lassen. Dies hätte auch den Fall Pilz eingeschlossen. Schließlich seien die Vorwürfe 2018 auch noch der Staatsanwaltschaft gemeldet worden. Solle dies genauso ohne Wissen des Kardinals geschehen sein, wie die Entscheidung, wer vom Erzbistum an der Beerdigung von Pilz teilnimmt? Sollte Woelki tatsächlich nie informiert worden sein, müsse er sich zumindest vorhalten lassen, dass die Kommunikation in der Aufklärungsarbeit des Erzbistums an ihm vorbeilaufe, so kommentieren Insider. Auf Dauer sei es nicht hinnehmbar, wenn der Kardinal als letztverantwortlicher sich auf Nichtwissen zurückziehe und auf andere Verweise
Ein "Bild"-Sprecher teilte der Deutschen Presse-Agentur mit: "Sollte Kardinal Woelki eine eidesstattliche Versicherung mit dem Inhalt abgegeben haben, dass er mit dem Fall Winfried Pilz bis Ende Juni 2022 gar nicht befasst gewesen sei, halten wir das für nicht glaubhaft. Wir wissen aber, dass Kardinal Woelki bereits in einem anderen Verfahren am Landgericht Köln eine unzureichende und inhaltlich zweifelhafte eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Sollte sich das jetzt in einem weiteren Verfahren wiederholen, werden wir strafrechtliche Schritte erwägen."
Woelkis Pressesprecher: "Kardinal steht zu 100 Prozent zu eidesstattlicher Versicherung
Woelkis Sprecher Jürgen Kleikamp wies dies zurück. "Kardinal Rainer Maria Woelki steht zu 100 Prozent hinter seinen eidesstattlichen Versicherungen", sagte Kleikamp. "Zu behaupten, dass Kardinal Woelki in einem anderen Verfahren eine unzureichende und inhaltlich zweifelhafte eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, ist höchst verwegen. Denn eine solche Entscheidung trifft in Deutschland ein Gericht und nicht der beklagte Autor des Springer-Verlags."
Kritiker Woelkis im Kölner Klerus bezeichneten es als wenig glaubhaft, dass dem Kardinal über all die Jahre hinweg die Vorwürfe gegen den prominenten Pilz nicht bekannt gewesen sein sollen. "Und wenn ein Bischof etwas hört, fragt er dann nicht nach?", kritisierte ein ranghoher Geistlicher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Da gibt es einen Täter, der bekanntermaßen in einem anderen Bistum lebt, und man fragt nicht nach, ob da alles geregelt ist? So kann Prävention gegen sexuellen Missbrauch nicht gelingen, wenn ein Bischof immer auf andere verweist."
In einem weiteren Klageverfahren Woelkis gegen "Bild" hat das Landgericht Köln für den 16. November eine mündliche Verhandlung anberaumt. Als Zeugen sollen die ehemalige Sekretärin von Kardinal Meisner und der frühere Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums gehört werden. In der Verhandlung geht es um die Berichterstattung über einen Priester, der von Woelki befördert worden war, obwohl er Jahre zuvor Sex mit einem 16 Jahre alten Prostituierten gehabt hatte.