Gewöhnlicherweise rücken Kardinäle in den Fokus der Öffentlichkeit, wenn es in Rom etwas wichtiges zu besprechen gibt, wie etwa in den Konsistorien oder bei einem Konklave, wenn ein neuer Papst zu wählen ist. Doch dieses Mal ist es eine Mischung aus Skandalen, Abweisungen und möglicher Genugtuung. Und ganz klar scheint die Lage dabei nicht zu sein.
Da war zunächst der Paukenschlag am vergangenen Donnerstagabend, als vom Vatikan recht schmallippig mitgeteilt wurde, Papst Franziskus habe Kardinal Becciu von seinem Amt als Präfekt der Selig- und Heiligsprechungskongregation entbunden und zugleich seinen Verzicht auf "die mit der Kardinalswürde verbundenen Rechte" angenommen. Gründe wurden freilich nicht genannt, ebenso wenig, welche Recht genau gemeint sind. Aber bekannt war, dass der machtbewusste Sarde in seiner Zeit als Substitut des Staatssekretariats Investitionen in ein Londoner Immobilienprojekt für Luxus-Wohnungen in Höhe von insgesamt 250 Millionen Euro genehmigt haben soll. Seit 2019 ermittelt hier die vatikanische Staatsanwaltschaft.
Am Wochenende dann veröffentlichte das Magazin "L’Espresso" einen Artikel, nach dem Becciu seine Position im Staatssekretariat dazu genutzt haben soll, um seine Verwandtschaft bei nicht ganz sauberen Sozialprojekten finanziell zu unterstützen. Becciu selbst verteidigte sich gegen die erhobenen Vorwürfe im Rahmen einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag. Dabei berichtete er auch über sein Gespräch bei Papst Franziskus und dass dieser ihm gesagt habe, dass er ihm nicht mehr vertraue.
Rückkehr von Kardinal Pell
Unterdessen macht sich ein anderer Kardinal auf die Reise nach Rom, der in den vergangenen Jahren für negative Schlagzeilen gesorgt hatte. Bereits 2008 war George Pell, damals noch Erzbischof von Sydney, Vertuschung von Missbrauchsfällen vorgeworfen worden. 2014 ernannte ihn Papst Franziskus zum Präfekten des neu geschaffenen Wirtschaftssekretariats der Römischen Kurie. Von dieser Aufgabe ließ sich Pell dann 2017 freistellen, um sich in Australien vor Gericht zu verantworten, da inzwischen auch wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn selbst ermittelt wurde. In zwei Instanzen schuldig gesprochen, hob der High Court of Australia, das Oberste Gericht, das Urteil im April letztinstanzlich auf und sprach Pell von allen Vorwürfen frei.
Als am Sonntag bekannt wurde, dass George Pell in dieser Woche in Rom erwartet würde, war die Überraschung perfekt. Zwischen Pell und Becciu gibt es eine Verbindung. Mehrfach hatte es Streit um Kompetenzen bei der Vermögenskontrolle innerhalb des Vatikans gegeben. Wie das Portal CNA-News berichtet, habe Becciu als Substitut des Staatssekretariats eine von Pell geplante externe Rechnungsprüfung aller Abteilungen des Vatikans verhindert und sich dabei auch dem Papst zustehender Kompetenzen bemächtigt. Dass Pell nun auf den Rücktritt seines einstigen Widersachers Becciu mit Dankbarkeit reagiert hat, wie CNA schreibt, verwundert vor diesem Hintergrund nicht.
Der Grund für die Reise des einst gefallenen, dann aber wieder rehabilitierten Kardinals George Pell nach Rom blieb zunächst nebulös. Doch am Montag meldete die "Huffington Post", dass Pell wohl auch beruflich in den Vatikan zurückkehre. Welche genaue Tätigkeit er dort künftig ausüben soll, darüber teilte das Portal nichts mit. Auch der Vatikan ließ dazu bislang nichts offizielles vermelden. Die Leitung des Wirtschaftssekretariats, dem Pell einst als Präfekt vorstand, hat inzwischen der Jesuit Juan Antonio Guerrero Alves übernommen.
Keine Papstaudienz für Kardinal Zen
Während in der Kurie der eine Kardinal zu Fall kommt und ein anderer rehabilitiert wird, weilt in jenen Tagen ein dritter glücklos in Rom. Der frühere Bischof von Hong-Kong, Joseph Kardinal Zen Ze-kiun, war im hohen Alter von 88 Jahren und trotz gesundheitlicher Probleme in die Ewige Stadt gereist, um Papst Franziskus zu sprechen. Zen gilt als einer der bekanntesten Kritiker der Annäherung des Vatikans an China.
Das zu erneuernde Abkommen mit Peking zur Ernennung von Bischöfen bezeichnet er als "Pakt mit dem Teufel". Falls für das Bistum Hong-Kong ein neuer Bischof ernannt würde, der den "Segen von Peking" hätte, wäre das eine Katastrophe, so der Kardinal. Darüber wollte der dem Salesianerorden angehörende Zen mit Franziskus sprechen. Doch der Papst empfing ihn nicht. Nach vier Tagen reiste Hong-Kongs ehemaliger Bischof unverrichteter Dinge wieder ab.