DOMRADIO.DE: Was bedeutet Karfreitag in Rom und Italien?
Pfarrer Werner Demmel (Direktor des deutschen Pilgerzentrums Rom): Man hat eine andere Wahrnehmung hier. Wir sind verwöhnt von Deutschland, dass das ein staatlicher Feiertag ist, und man geschützt seinen religiösen Bedürfnissen nachgehen kann. Der Italiener hat diesen Feiertag schon vor über 40 Jahren aufgegeben als staatlichen Feiertag.
Die Wahrnehmung, die wir hier als Deutsche haben, ist, dass gerade an Karfreitag umso emsiger gearbeitet wird. Baustellen, Straßenarbeiter, alles mögliche. Es ist laut, es ist hektisch, es gibt Lärm. Die Ruhe, die wir sonst gewohnt sind, hat man nur bei der Liturgie am Nachmittag.
DOMRADIO.DE: Wie unterscheidet sich generell das katholische Leben in Italien von Deutschland?
Demmel: Wenn man die Italiener, die Römer, fragt, wo sie stehen, wer sie sind, sagen sie "siamo cattolici", wir sind katholisch. Ist doch ganz klar. Wenn man aber nachhakt, merkt man: Das ist nicht viel anders als bei uns in Deutschland auch. Es ist vielfach nur ein Taufschein-Christentum, auch, wenn die Gottesdienste am Sonntag noch wesentlich stärker besucht sind als bei uns, vor allem auch von der jüngeren Generation. Aber keine Frage: Hier ist auch eine große Verweltlichung eingetreten.
DOMRADIO.DE: Was ist der Höhepunkt für den Römer an den Kar- und Ostertagen?
Demmel: Ganz sicher der Kreuzweg am Kolloseum mit dem Heiligen Vater am Abend des Karfreitags. Der zeichnet sich durch eine ganz besondere Atmosphäre aus. Einerseits durch die Anwesenheit des Heiligen Vaters, aber auch durch die stimmungsvolle Gestaltung. Sehr einfühlsam wird die Leidensgeschichte vorgetragen. Überall brennen Kerzen. Jedes Jahr hat dieser Kreuzweg auch ganz aktuelle Texte.
In diesem Jahr gestaltet von einer italienischen Ordensfrau. Die Gesänge des vatikanischen Chores, auch die Kulisse des beleuchteten Kolloseums, alles trägt zu dieser besonderen Atmosphäre bei.
DOMRADIO.DE: Woher kommt diese Feier?
Demmel: Angefangen mit dieser Tradition hat bereits Papst Paul VI., nachdem es lange Jahrzehnte aufgegeben war. Die Begründung für die Feier liegt darin, dass man dachte, dass besonders im Kolloseum viele Christen zu Römerzeiten hingerichtet wurden. Was sich allerdings geschichtlich nicht nachweisen lässt.
DOMRADIO.DE: Wie begehen die Italiener die Osternacht?
Demmel: Meist noch als Mitternachtsmesse. Mit großer Beteiligung wird die hier noch gefeiert. Im Vatikan allerdings schon früher. Das hat schon Benedikt vorgezogen, sicher auch seines Alters und der Verfassung geschuldet. Franziskus hat das dann noch mal um eine Stunde vorgezogen. Kann man auch verstehen. Ein Mann mit 82 Jahren, der so eine dichte liturgische Zeit jetzt durchlebt – davor habe ich große Achtung.
DOMRADIO.DE: Am Ostersonntag wird um 12 Uhr das "Urbi et Orbi" auf der ganzen Welt übertragen und ist dann in den Schlagzeilen. Warum hat dieser Segen so eine große Bedeutung?
Demmel: Dieser päpstliche Segen hat seine Bedeutung noch aus dem Mittelalter beibehalten. Der Papst gibt nicht nur in der Kirche seinen Segen, sondern tritt hinaus, gibt der ganzen Stadt, der ganzen Weltbevölkerung seinen Zuspruch. Alle fühlen sich eingebunden, alle gehören dazu. "Katholisch" also im wahrsten Sinne des Wortes.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.