Kaum sichtbar schwebt sie an der Spitze des mächtigen Domturms. Erst im Sinkflug lässt sich der Flugkörper erkennen, der langsam am Bauwerk hinunter gleitet. Schwach hebt er sich vom dunklen Stein der Kathedrale ab. Gut hörbar auf dem trotz Sonnenschein kaum bevölkerten und damit stillen Domplatz sind aber die acht Rotoren, mit denen sich das Gerät in der Luft hält.
Bei dem schwarzen Flugkörper handelt es sich um eine ferngesteuerte Drohne, die in dieser Woche etliche Male an der Westfassade des Kölner Doms mit den Doppeltürmen hoch- und runterfliegt. Dabei macht sie rund 30.000 hochauflösende Fotos, aus denen später auf dem Computer ein detailliertes 3-D-Modell des Bauwerks generiert wird, ein "digitaler Zwilling", wie der verantwortliche Steintechniker der Dombauhütte, Michael Jürkel, es gerne nennt.
Restauratoren Arbeit erleichtern
Das Modell soll den Steinmetzen und Restauratoren ihre Arbeit erleichtern. Schwer zugängliche Stellen des Mauerwerks etwa an den Türmen, die sonst nur über aufwendige Gerüstbauten oder durch Abseilen erreicht werden können, lassen sich so einfach am Bildschirm nach Schäden untersuchen.
Und Schäden gibt es an dem Großbauwerk immer wieder. Die sind laut Jürkel hauptsächlich witterungsbedingt. "Aber gerade oben im Turm können sie auch durch Korrosion entstehen. In den Steinen sind alte Eisenhaken aus dem 19. Jahrhundert eingebaut, die das Gestein aufsprengen, wenn sie rosten." Solche reparaturbedürftigen Stellen könnten über das Modell schnell erkannt werden. Zudem erleichtere es die Planung für den Gerüstbau. "Wir sehen dann sofort, wo jetzt die Prioritäten liegen und können uns dementsprechend darauf einstellen", so Jürkel.
Die Drohne wird manuell und einzig vom Boden aus gesteuert. Über ein Tablet kann der Pilot genau erkennen, welchen Bildausschnitt die Kamera gerade einfängt, so als ob er selbst im Cockpit den Rundflug um die Türme macht. Die in Monheim ansässige Firma "Northdocks" führt das Projekt durch. Für Geschäftsführer Patrick Reschke ist es ein besonderer Auftrag: "Ich komme selbst aus dem Rheinland, der Dom bedeutet mir viel.".
Winde um den Turm herum
Normalerweise fliegt die Crew acht bis zehn Flüge am Tag, bei guten Wetterbedingungen wie am Mittwoch auch mal mehr. Für die Fotos ist eine optimale Belichtung elementar, weswegen manche Abschnitte auch mehrfach unter verschiedenen Lichtbedingungen fotografiert werden müssen.
Bereits im vergangenen Herbst habe es Probeflüge gegeben, um das Terrain kennenzulernen und sich mit den "Tücken" des Domes vertraut zu machen, erklärt Reschke. "Das sind vor allem die Winde um die Türme herum, die für uns schwer vorhersehbar sind."
Der Zeitpunkt für die Arbeiten inmitten der Corona-Krise ist nicht zufällig gewählt, wie Jürkel verrät. "Momentan ist kaum Publikum im und am Dom. Das erleichtert uns die Arbeit, da deswegen auch weniger Bedenken bezüglich der Sicherheit bestehen, als es sonst der Fall wäre."
Digitales Modell
Wenn alle Fotos im Kasten sind, wird "Northdocks" mit einem eigens entwickelten Programm daraus das Modell generieren. Es handle sich um eine Datenmenge von rund zwei Terabyte - eine große Herausforderung für herkömmliche Computertechnik.
Die Westfassade ist indessen nur der Beginn des Projekts. In den kommenden ein bis zwei Jahren soll der gesamte Dom abfotografiert und als Modell digitalisiert werden. Auch gebe es bereits Überlegungen, den Innenraum ebenfalls fotografisch zu erfassen. Hierfür ist aber laut Jürkel noch kein Zeitplan vorgesehen.
Öffentlich sichtbar werde das Modell der meistbesuchten Sehenswürdigkeit Deutschlands im Übrigen nicht sein. Jürkel: "Es ist wirklich nur ein wertvolles Arbeitsmaterial für die Dombauhütte."