Katholiken beraten über Zukunft der Kirche

"Offenheit, Ehrlichkeit, Zuhören"

Vor einem Jahr überraschte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch seine Bischofskollegen und viele Katholiken mit einem flammenden Appell: In einer immer säkulareren Welt und nach dem Vertrauensverlust durch die Missbrauchskrise müsse sich die Kirche den Chancen und Herausforderungen des Glaubens neu stellen.

 (DR)

Zollitsch sprach sich für einen bundesweiten "Dialogprozess" aus, damit die Kirche wieder stärker auf die Menschen zugehe und zu einer "pilgernden, hörenden und dienenden Kirche" werde. "Es gibt für uns keinen anderen Weg als den der Offenheit, der Ehrlichkeit und den des Zuhörens", sagte Zollitsch damals.



Mittlerweile hat der Dialogprozess erste Formen angenommen: So auf Bundesebene, wo die katholischen Bischöfe Anfang Juli Vertreter der Kirchenbasis, der Verbände und der Bistümer zu einem Auftaktkongress nach Mannheim eingeladen hatten. Am Wochenende wird Zollitsch Papst Benedikt XVI. persönlich über den Stand des Projekts informieren.



Aber auch in mehreren Bistümern hat der Dialog begonnen. In Zollitschs Heimatbistum Freiburg wurden nach intensiven Planungen und Beratungen der Bistumsleitung grafisch aufwendig gestaltete "Dialogboxen" an alle Pfarrgemeinden des rund zwei Millionen Katholiken zählenden Bistums im Südwesten verschickt. Darin finden sich der geplante Fahrplan des Dialogs, Themenanregungen und konkrete Tipps und Materialien für Gesprächsgestaltungen.



Domkapitular Andreas Möhrle, einer der Verantwortlichen, verspricht. "Es gibt keine Tabus, es können alle Themen auf den Tisch kommen. Aber wichtig ist, dass wir den Dialog vor allem als geistlichen Prozess, als Hören auf die Stimme Gottes verstehen."



Die Vorsitzende des Diözesanrats, das höchste Vertretungsgremium der Kirchenbasis, Martina Kastner, registriert ein großes Interesse vieler Katholiken, die Gesprächschance anzunehmen. "Der Dialog gelingt aber nur, wenn alle Sorgen und Nöte auf den Tisch kommen und offen angesprochen werden können." Zudem müsse am Ende mehr stehen als ein Papier für die Schublade.



Dass sich durch den Dialog Kirche verändern wird, davon sind die Planer in der Bistumsleitung überzeugt. "Wir arbeiten dafür, dass die Ergebnisse im Alltag spürbar werden", so Möhrle. Niederschlag sollen die Debatten etwa in einer überarbeiteten Fassung sogenannter "Pastoraler Leitlinien" finden.



Mit "Erkundungsaufträgen", konkreten Fragen aus den drei Großbereichen, hat sich Zollitsch jetzt an katholische Schulen, die Katholische Akademie, die Caritas und kirchliche Bildungshäuser gewandt. Jugendliche sollen Vorschläge erarbeiten, wie ihre "Lebensthemen glaubwürdiger in den Blick" kommen könnten. Unter dem Stichwort "Seelsorge der Barmherzigkeit" soll es um den kirchlichen Umgang mit Menschen in Trennung, Scheidung oder nach einer zweiten Heirat gehen.



In "Fokusgruppen" sollen Spitzenvertreter der Wirtschaft, Theologen oder Journalisten über die Zukunft der Kirche debattieren. Und schließlich wird es ab Anfang 2012 bistumsweit "Zukunftskonferenzen" geben. Parallel steht die neue Internetseite www.zeit-fuer-dialog.de für Rückmeldungen bereit.



Nach dem Katholikentag im Mai 2012 in Mannheim als Termin für eine erste Zwischenbilanz sollen bei einem großen "Forum der Räte" Ende 2012 alle Ergebnisse aus dem Bistum zentral zusammengetragen werden.



"Wir wollen versuchen, die ungeheure Vielstimmigkeit innerhalb der katholischen Kirche miteinander in einen Austausch zu bringen. Und dabei einen von allen gemeinsam mitzutragenden Weg für die Zukunft der Kirche finden", sagt Stefan Bonath, der die Detailkonzeption des Dialogprozesses entwickelt hat. Er hofft, dass es nicht zu Fraktionierungen oder verhärteten Fronten kommen wird. Dass viele Katholiken vor dem Hintergrund von Priestermangel, Pfarrei-Zusammenlegungen und Distanz zu kirchlichen Positionen etwa in Sachen Sexualmoral oder Rolle der Frau nach Zukunftswegen Ausschau halten, ist der Kirchenleitung bewusst.