Auch Eigenschaften des neuen Erzbischofs und Herausforderungen für ihn sind gefragt. Die Idee zu dem ungewöhnlichen Forum entstand im Diözesanrat der Katholiken. "Ein solch breites Meinungsbild gab es noch nie in der katholischen Kirche Deutschlands", betont Hans-Joachim Ditz, der Geschäftsführer der höchsten Laienvertretung im Erzbistum Berlin.
Mehr als 170 Kommentare sind in den vergangenen vier Monaten eingegangen. Der Wunsch des anonymen Autors nach einer Rückkehr von Woelki ist zwar offenkundig nicht erfüllbar. Doch er zeigt, wie hoch die Latte ist, die der frühere Erzbischof in seinen drei Jahren an der Spree gelegt hat. "Ich wünsche mir für die Hauptstadt einen authentischen Mann, wie es auch Woelki war", heißt es in einem Statement, in einem anderen: "Er hat seine Sache einfach super gemacht." Wieder andere orientieren sich an Papst Franziskus, "der ein Herz für die Armen hat".
Die konkreten Personalempfehlungen gehen allerdings weit auseinander. Unter den Berliner "Eigengewächsen" steht Weihbischof Matthias Heinrich an der Spitze, gefolgt vom gegenwärtigen Diözesanadministrator Tobias Przytarski und Bischofsvikar Stefan Dybowski. Vielen Kommentatoren ist ein gutes Verhältnis zu den anderen Kirchen wichtig. Dann fällt der Name des Magdeburger Bischofs Gerhard Feige, der "Ökumene-Bischof" der Deutschen Bischofskonferenz ist.
Viele Wunschkandidaten
Daneben stehen weitere "externe Lösungen" auf dem Wunschzettel. Dabei kommt Kurienerzbischof Georg Gänswein ins Spiel, der Präfekt des Päpstlichen Hauses und Privatsekretär des früheren Papstes Benedikt XVI. Gänswein könnte einem nach Berlin wechselnden Kardinal Reinhard Marx in München nachfolgen, falls er nicht gleich selbst in die Bundeshauptstadt käme. So lauten mehrere - allerdings auch stark umstrittene - Spekulationen. Ein häufig genannter Kandidat ohne Bischofsweihe ist Jesuitenpater Klaus Mertes, der als Rektor des Berliner Canisius-Kollegs den Missbrauchsskandal aufdeckte und damit bundesweit bekannt wurde.
Unter den Herausforderungen des künftigen Berliner Oberhirten haben die von Woelki angestoßenen Projekte besonderes Gewicht. Für die einen soll der Nachfolger "illusionäre Umbaupläne" für die Hedwigskathedrale "zu den Akten legen", anderen ist es wichtig, die laufende Reform der Bistumsstrukturen "mit Augenmaß" weiterzuführen.
Eine Zensur der Kommentare übt der Diözesanrat nicht aus, wie Geschäftsführer Ditz versichert. Zu Stellungnahmen eingeladen sind auch Menschen, die "nicht katholisch sind oder keiner Kirche angehören". Das mag Kandidatenempfehlungen wie die evangelische Ex-Bischöfin Margot Käßmann erklären. Oder die Stimme für den früheren Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit: "Er ist gut katholisch, im besten Alter und frei von einem politischen Amt." Gelöscht werden nur persönliche Beleidigungen, "aber die gab es fast nicht". So gingen nur wenige Beiträge nicht online.
Die weiterhin aufgelisteten geben zwar kein repräsentatives "Stimmungsbild" ab, wie Ditz einräumt, aber immerhin "Momentaufnahmen". Auf jeden Fall steht die Initiative des Katholikenrats aus seiner Sicht für einen "Kulturwandel". Jeder, der will, könne sich erstmals vor der Wahl eines katholischen Bischofs vor einer Öffentlichkeit zu Wort melden, wie sie nur das Internet bietet.
Über 10.000 Zugriffe hat der Katholikenrat bislang auf sein Forum verzeichnet. "Auch aus dem Vatikan und der Deutschen Bischofskonferenz", hat Ditz festgestellt. Inwieweit die vielen Statements sich auf die laufende, mehrstufige Bischofswahl auswirken, bleibt sicher offen. Seine Internetseite will der Diözesanrat jedenfalls bis zur Ernennung offen halten.