Katholiken und Lutheraner betonen Gemeinsamkeit in Ethikfragen

Weitgehend einig

Katholische und lutherische Christen haben laut einer Studie das gleiche, aus der Bibel abgeleitete Menschenbild. Sie können in ethischen Fragen mit einer Stimme sprechen, auch wenn ihre Positionen nicht deckungsgleich sind.

Autor/in:
Bernd Buchner
Hand in Hand in Ethikfragen? / © Sebastian Kahnert (dpa)
Hand in Hand in Ethikfragen? / © Sebastian Kahnert ( dpa )

Unter welchen Bedingungen können Forscher mit embryonalen Stammzellen arbeiten? Wann und wie darf sich ein Mensch von einem Mediziner in den Tod helfen lassen? Diese und andere ethische Fragen, zu denen der Bundestag in den vergangenen Jahren wegweisende Entscheidungen traf, haben nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, sondern auch in den beiden großen Kirchen zu heftigen Diskussionen geführt.

Ökumenischer Riss?

Dabei zeigte sich ein ökumenischer Riss, denn die katholische Kirche wandte sich im Gegensatz zu den Protestanten gegen Lockerungen bei der Stammzellforschung und setzte sich unter Verweis auf die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens entschieden für eine restriktive Regelung beim assistierten Suizid ein, der in weiten Teilen der Öffentlichkeit beschönigend als "Sterbehilfe" bezeichnet wird.

Doch verbergen sich hinter den unterschiedlichen Auffassungen auch grundsätzliche Unterschiede beim christlichen Menschenbild, das die Kirchen aus der Bibel ableiten? Um diese Frage zu klären, setzten die katholische Deutsche Bischofskonferenz sowie die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein. Das mit je sieben Fachleuten beider Seiten besetzte Gremium nahm 2009 seine Tätigkeit auf.

Mehr Einendes als Trennendes

Nun liegt das Ergebnis vor. Das 170-seitige Papier "Gott und die Würde des Menschen", das am Mittwoch vorgestellt wurde, hält fest, dass Katholiken und Lutheraner beim Menschenbild und in ethischen Fragen keine wesentlichen Unterschiede sehen. "Auch hier gilt: Uns eint mehr, als uns trennt", so der katholische Ökumenebischof Gerhard Feige aus Magdeburg. Dies zeigt sich nach seinen Worten auch daran, dass die Kirchen gemeinsam für die Würde benachteiligter Menschen, den Schutz des Lebens und die Hilfe für Flüchtlinge streiten.

In dem Dokument, das im März als Buch erscheint, werden unter anderem die ökumenische Dimension der Debatte um die Menschenwürde, die jeweiligen Prinzipien der ethischen Urteilsbildung sowie Perspektiven der theologischen Anthropologie aufgezeigt. Ein Schlusskapitel skizziert, ganz im biblischen Sinne, "Optionen für Menschlichkeit - Das Zeugnis der Bergpredigt".

Feige verweist auf einen "langen und intensiven Gesprächsprozess", der die Arbeit an dem Dokument prägte. Das zeigt, dass man sich zwar weithin einig ist, aber Unterschiede fortbestehen. Die Ökumene sei nur dann auf einem guten Weg, sagt der Catholica-Beauftragten der VELKD, Karl-Hinrich Manzke, wenn Irritationen "offen angesprochen und bearbeitet werden". Der Landesbischof von Schaumburg-Lippe spricht mit Blick auf das Papier vorsichtig von einer "ökumenischen Selbstvergewisserung".

Textgenehmigung steht noch aus

Tatsächlich greift das Papier die theologische Methodik des "differenzierten Konsenses" auf; dabei werden auch bestehende Unterschiede benannt und eingeordnet. Diese bezögen sich aber vielfach auf nicht-theologische Faktoren, heißt es an einer Stelle des Textes. Gemeinsame ethische Stellungnahmen der Kirchen seien möglich und nötig. "Sie müssen allerdings ein qualifiziertes Verhältnis zu einer begründeten Pluralität von ethischen Positionen entwickeln."

Bei Stammzellforschung und "Sterbehilfe" gebe es keinen grundlegenden Gegensatz von katholischer und evangelischer Theologie, fasst das Dokument zusammen. Vielmehr ist von einem innerprotestantischen Dissens die Rede; auch auf katholischer Seite gebe es nicht nur eine einzige Auffassung. Die Kirchen blieben "ökumenisch urteils- und handlungsfähig, auch wenn ihre Positionen nicht in jeder Hinsicht deckungsgleich sind".

Der Text der Arbeitsgruppe muss noch von den Kirchen genehmigt werden. Darauf wies die Bischofskonferenz am Mittwoch ausdrücklich hin: Es sei "sachlich falsch", von einem Dokument von katholischen Bischöfen und VELKD zu sprechen. Doch ist kaum anzunehmen, dass die Gremien das Ergebnis einer jahrelangen Arbeit verweigern, an der auch Kapazitäten wie EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm und der heutige Chef der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, mitwirkten.


Quelle:
KNA