Katholikentag stellt sich hinter Flüchtlinge

"Versorgungslage immer schlechter"

Auf dem Katholikentag in Leipzig haben Vertreter aus Politik und Kirche zu einem stärkeren Einsatz für Flüchtlinge aufgerufen. Die sechs katholischen Hilfswerke schlugen Alarm und kritisierten eine "immer schlechter werdende Versorgungslage".

Bundesinnenminister Thomas de Maizière beim Katholikentag  / © Sebastian Willnow (dpa)
Bundesinnenminister Thomas de Maizière beim Katholikentag / © Sebastian Willnow ( dpa )

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht in der Flüchtlingsfrage den Rückhalt bei der Bevölkerung gefährdet. "Eine Asylpolitik ist in gewisser Weise auf den Zusammenhalt einer Gesellschaft angewiesen", sagte de Maizière am Freitag beim Katholikentag in Leipzig. "Das heißt nicht, dass alle einer Meinung sind. Politische Führung heißt auch, gegen den Zeitgeist etwas zu machen. Aber sie brauchen ein Mindestmaß von gesellschaftlichem Zusammenhalt. Und der war gefährdet und ist noch gefährdet."

De Maizière verteidigte erneut den EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei, an dem es wegen der Menschrechtslage Kritik gibt. "Die Bundesregierung kann sich außerhalb Europas die Partner nicht aussuchen", sagte de Maizière. "Das ist ein schwieriger Interessenausgleich, eine sehr schwierige Abwertung zwischen unseren Werten und Interessen." Der Minister diskutierte in Leipzig über Gastfreundschaft. Über dem Podium blendeten die Veranstalter ein Foto des ertrunkenen syrischen Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi und seiner Mutter ein.

Lammert: Solidarisch sein 

Bundestagspräsident Norbert Lammert mahnte hierbei mehr Solidarität in Deutschland und Europa an. Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck wandte sich gegen eine Politik der Abschottung.

Lammert sagte: "Wir müssen nach außen solidarisch sein mit allen, die vor Gewalt fliehen müssen, und wir müssen untereinander solidarisch sein, indem wir die Lasten gleichmäßig verteilen." Fatalerweise führe das Versagen auf der einen Seite oft dazu, dass auch die andere abgelehnt werde: "Ich finde es deprimierend, dass zu viele in Europa die Solidarität mit Flüchtlingen im eigenen Land verweigern, nur weil die äußere Solidarität auf unserem Kontinent nicht funktioniert", so der Parlamentspräsident.

Glück: Flüchtlingskrise eine heilsame Herausforderung

Der ehemalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der CSU-Politiker Alois Glück, nannte die Flüchtlingskrise eine "heilsame Herausforderung". Sie zwinge die Gesellschaft dazu, sich wieder grundsätzlich mit der Frage nach den tragenden Werten der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Dabei reiche der reine Hinweis auf christliche Werte oder die Tradition nicht mehr aus.

Nach Glücks Worten sind viele Konflikte in der globalisierten Welt "Wertekonflikte". Als ein wesentliches Problem nannte er die Angst vor Identitätsverlust. Integration könne nur gelingen, "wenn wir wissen, was uns wichtig ist". Dazu gehörten "Offenheit, Gesprächsbereitschaft und eine rechte Balance von Fordern und Fördern". Dabei mahnte Glück: "Menschen, die die Erfahrung machen, dass sie nicht erwünscht sind, werden sich nicht integrieren." Mit Blick auf die AfD nannte er als einen Grund für die Zustimmung eine verbreitete Zukunftsangst.

"Perspektivlosigkeit in den Flüchtlingslagern"

Die großen katholischen Hilfswerke kritisierten eine "zunehmende Perspektivlosigkeit in den Flüchtlingslagern". In einem gemeinsamen Papier heißt es weiter: "In der aktuellen Debatte gerät oft in Vergessenheit, dass die meisten Flüchtlinge sich nicht auf den Weg nach Europa machen, sondern nahe ihrer Heimat Schutz suchen." In der EU lebten 3,9 Prozent der 60 Millionen Flüchtlinge weltweit.

Zugleich betonen die Unterzeichner, Deutschland sei durch die gestiegene Zahl der Flüchtlinge vielfach herausgefordert. Zahlreiche Menschen hätten bereits Schutz gefunden und erhofften sich hier ein sicheres Leben "ohne Bedrohung und Überlebenskampf".

Tag des Flüchtlings 

Das Papier erschien zum "Tag des Flüchtlings", der am Freitag auf dem Katholikentag begangen wurde. Es handelt sich um eine gemeinsame Initiative der katholischen Hilfswerke Adveniat, Misereor, Deutscher Caritasverband, Renovabis, missio und "Die Sternsinger".

In dem Text wird betont: "Wir weltkirchlichen Hilfswerke fordern und unterstützen eine nationale und internationale Politik, die den Grundsätzen des 'gerechten Friedens' folgt und die Rechte der Zivilbevölkerung achtet." Entsprechend ihrer unterschiedlichen Aufträge stellten die Organisationen umfangreiche Angebote für Flüchtlinge in den Krisenregionen zur Verfügung.

Orientierung am Wohl aller 

"Zahlreiche dieser Hilfsprojekte verstehen sich darüber hinaus auch als Beitrag zur Minderung von Fluchtursachen", heißt es weiter. Im vergangenen Jahr hat allein die katholische Kirche in Deutschland 115 Millionen Euro an außerordentlichen Mitteln für Flüchtlingshilfen im In- und Ausland zur Verfügung gestellt.

Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck verurteilte nationalstaatliche Interessen und rief zu einer Orientierung am Wohl aller auf. "Genau darum braucht es Gastfreundschaft und offene Türen und keine Abschottung, Mauern und Zäune", sagte er. Derzeit werde jedoch schwachen Staaten ein gleichberechtigter Zugang zum Weltgemeinwohl verwehrt und "damit der Grund für gewalttätige Reaktionen gelegt".


Quelle:
KNA , dpa