"Zeig draußen, was du drinnen glaubst!" Dieses Leitwort macht deutlich, wofür das Bonifatiuswerk steht: den katholischen Glauben – persönlich und in den Gemeinden – selbstbewusst nach draußen, in die Gesellschaft hinein zu tragen. Nicht nur in der Diaspora, sondern auch anderenorts ist das in einem immer glaubensferneren Umfeld heute schwieriger denn je. Brauchtum und Rituale können da helfen. "Dem Leben Sicherheit geben – Wie Rituale unseren Alltag prägen", so lautete der Titel des ersten von zwei Podiumsgesprächen des Bonifatiuswerkes. Mit dabei waren Pater Dr. Anselm Grün OSB, Schwester Jordana Schmidt OP und Monsignore Georg Austen, Generalsekretär des Bonifatiuswerkes.
Ob gläubig oder nicht: "Das Bedürfnis nach Ritualen ist in den vergangenen Jahren immer stärker in das Bewusstsein der Menschen getreten", sagte Anselm Grün. Das zeigten etwa die Rituale in einem Fußballstadion, die zwar nicht religiös seien, aber eine Sehnsucht der Menschen ausdrückten. Woher aber kommt diese Sehnsucht? Rituale öffnen laut Grün zum einen das Leben auf etwas Größeres hin – im religiösen Sinn auf Gott. Zum anderen würden sie auch die Beziehungen zwischen den Menschen vertiefen. "Und sie sind der Ort, an dem Gefühle geäußert werden, die sonst nie geäußert werden." Rituale seien ein "spielerischer Weg", den Glauben in den Alltag hinein zu bringen und zu übersetzen, betonte Grün. Gerade die Übersetzung falle der Kirche oft noch schwer. Es sei nicht nötig, alle Rituale neu zu erfinden, sie müssten jedoch immer neu erklärt und so vollzogen werden, dass die Menschen sich angerührt fühlten. Denn "Rituale sind eine Chance, unser Leben als Christen mitten in einer entchristlichten Welt zu leben", sagte Grün.
Häufig Unwissen um christlichen Kern von Bräuchen
Weihnachtsmann statt Nikolaus? "Vielleicht spricht aus den Versuchen, Ritualen und Bräuchen ihren christlichen Kern zu entziehen, auch ein Gutteil Unwissen um diesen christlichen Kern", sagte Monsignore Austen. Er plädierte für ein offensives Vorgehen: Die Antwort dürfe nicht Kapitulation, sondern sie müsse Erklärung, Wissensvermittlung lauten. Durch Kampagnen und Aktionen trage das Bonifatiuswerk dazu bei, die alten Rituale und Bräuche neu ins Blickfeld der Gesellschaft zu rücken – etwa durch die Nikolausaktion "Weihnachtsmannfreie Zone". Zugleich lasse sich aber eine beachtliche Vielfalt neuer Rituale und Bräuche nicht leugnen, die vor allem den Wunsch der Menschen nach Gemeinschaft offenbarten, sagte Austen. Als Beispiel nannte er die "Liebesschlösser", die an immer mehr Brücken auftauchen. Zunächst ein säkulares Ritual, doch sei es Zeichen eines Versprechens von Treue und Liebe. "Lässt sich da nicht an die – heute immer weniger praktizierte – Verlobung denken?", fragte Austen. Das Beispiel der Schlösser zeige, wie säkulare Rituale auch die Kirche anregen könnten, über neue Ausdrucksformen nachzudenken und den christlichen Glauben in eine säkulare Umwelt zu tragen. "Wir brauchen Rituale zur Glaubensvergewisserung, Sinndeutung und Sinnstiftung, die uns existenziell im Leben anrühren und den Glauben berührbar machen", so Austen.
Dass die Kirche bei ihren Ritualen teilweise umdenken müsse, betonte auch Schwester Jordana, die als Kinderdorfmutter tätig ist. "Neulich habe ich einen Sportkurs besucht, der mit einem buddhistischen Ritual beendet wurde." Das Beispiel zeige, dass die Menschen sich heute gerne Rituale in anderen Religionen suchten. "Nur bei katholischen sagen nicht wenige: ,Ih, bah.‘ Dabei haben wir so schöne Rituale", sagte Schwester Jordana. Diese Rituale müssten heute aber einen neuen Duft versprühen. Den Menschen müsse begreiflich gemacht werden, dass sie kein Zwang seien, sondern Rituale ihnen wirklich etwas geben könnten. "Wenn wir als Kirche das zeigen, dann fühlen sich Menschen auch wieder neu von uns, von den Ritualen angesprochen. Dann sind sie eine echte Chance."
Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Claudia Nothelle, Programmdirektorin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Für den musikalischen Rahmen sorgte Sängerin Maite Kelly.