Katholische Beratungsstellen verzeichnen 100.000 Ratsuchende

Fehlender Schonraum

Rund 100.000 Frauen und Männer haben im Jahr 2011 in den katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen in Deutschland Rat und Hilfe gesucht. Die meisten Frauen und Familien kämen mit finanziellen Problemen. "Es fehlt der Schonraum, der finanzielle Puffer, um die durch die Geburt eines Kindes ausgelösten zusätzlichen Bedürfnisse abzufedern", sagt Caritas-Referentin Sabine Fähndrich.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Wie im Vorjahr befanden sich rund 1,2 Prozent von ihnen in einem "existenziellen Schwangerschaftskonflikt", wie es im von der Zeitschrift "neue caritas" veröffentlichten Jahresbericht der Beratungsstellen von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) heißt. Dies entspricht 1.182 Ratsuchenden, die bewusst eine katholische Schwangerschaftsberatungsstelle aufsuchten und sich dessen bewusst sind, dass sie keinen Beratungsnachweis ausgestellt bekommen.



Beratungsdauer ist gewachsen

Die Anzahl der Ratsuchenden insgesamt ist damit im Vergleich zu 2010 leicht gesunken, während die Anzahl der Beratungsgespräche leicht anstieg: Für die Caritasexperten eine Bestätigung der Erfahrung, dass Ratsuchende über längere Zeiträume Rat und Hilfe in Anspruch nehmen und sowohl während der Schwangerschaft als auch nach der Geburt des Kindes mit Bündeln an Problemen in die Beratungsstellen kommen.



Bundesweit gibt es 274 Schwangerschaftsberatungsstellen des katholischen Wohlfahrtsverbandes und des SkF an 500 Standorten. Dort sind bundesweit 646 Beraterinnen und Berater tätig. Im Jahr 2000 waren die katholischen Bistümer der Anweisung des Papstes folgend aus dem geltenden staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung ausgestiegen; seitdem stellen sie keine Beratungsscheine mehr aus.



Das Profil der katholischen Beratung hat sich seitdem stark verändert - vor allem bei den "existenziellen Schwangerschaftskonflikten". Im Vergleich zu den aktuellen 1,2 Prozent kamen vor dem Ausstieg rund 20 Prozent der Ratsuchenden zu einer Konfliktberatung bis zur 12. Schwangerschaftswoche.



Frühe Hilfe für junge Mütter

Inzwischen setzen die Beraterinnen und Berater stärker auf frühe Hilfen für Schwangere und junge Mütter, Beratung bei Pränataldiagnostik, sexualpädagogische Angebote oder soziale Unterstützung für junge Familien. So ist 2011 das Beratungsaufkommen bei vorgeburtlicher Diagnostik im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen: Es gab 2.684 Fälle im Zusammenhang mit der Pränataldiagnostik und 797 Beratungsfälle bei zu erwartender Behinderung des Kindes.



Um Schwangeren und jungen Müttern schnell helfen zu können, hatten der Caritasverband und 16 katholische Bistümer 2010 zudem das Projekt "Frühe Hilfen in der Caritas" gestartet - und wollen es weiter ausbauen. Darin werden alle kirchlichen Angebote zugunsten junger Familien gebündelt - vom katholischen Krankenhaus bis zur Migrantenberatung. Die Schwangerschaftsberatungsstellen dienen in diesem Netzwerk häufig als Knotenpunkte.



"Die katholische Schwangerschaftsberatung erreicht schwerpunktmäßig Menschen aus den sogenannten Armutmilieus", betont die zuständige Caritas-Referentin Sabine Fähndrich. Laut Bericht waren 2011 rund 55,5 Prozent der etwa 100.000 Ratsuchenden ohne abgeschlossene Berufsausbildung. 50,8 Prozent derjenigen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung standen, waren beschäftigungslos, 17,4 Prozent waren alleinerziehend und 50,24 Prozent hatten einen Migrationshintergrund.



Kritik an der Sozialpolitik der Regierung

Dementsprechend stellte die finanzielle Situation von Frauen und Familien eines der am häufigsten benannten Probleme in der Schwangerschaftsberatung dar. Gerade in der Familiengründungsphase habe dieser Personenkreis mit großen Unsicherheiten und existenziellen Ängsten zu kämpfen, betont die Caritas. Soziale Isolation, mögliche Partnerschaftsprobleme, gesundheitliche Risiken und wirtschaftliche Probleme schaukelten sich gegenseitig hoch.



Deutliche Kritik äußert die Caritas in diesem Zusammenhang an der Sozialpolitik der Bundesregierung. So werde seit 2011 das Elterngeld für Eltern, die Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Kindergeldzuschlag beziehen, als Einkommen angerechnet und falle damit als zusätzliche Geldleistung weg, heißt es im Bericht. Arme Familien würden dadurch zusätzlich unter Druck gesetzt. "Es fehlt der Schonraum, der finanzielle Puffer, um die durch die Geburt eines Kindes ausgelösten zusätzlichen Bedürfnisse abzufedern."