Katholische Bischöfe beschließen Maßnahmenpaket gegen Missbrauch

"Es darf keine Tabus geben"

​Mit einer Pressekonferenz haben die deutschen Bischöfe ihre Herbstvollversammlung in Fulda beendet. Dabei haben sie unter anderem konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs in der katholischen Kirche beschlossen. 

Pressekonferenz zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz / © Harald Oppitz (KNA)
Pressekonferenz zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz / © Harald Oppitz ( KNA )

In einer Erklärung kündigten die Bischöfe unter anderem einen "transparenten Gesprächsprozess" mit Experten über den Zölibat und die Sexualmoral der Kirche an. Auch sollen die Zahlungen von Anerkennungsleistungen an Opfer überprüft werden. Zusätzlich wollen die Bischöfe externe und unabhängige Anlaufstellen zu Fragen sexuellen Missbrauchs einrichten.

Die Bischöfe betonen zudem, sie wollten mehr als bisher Begegnungen mit Betroffenen suchen. Zudem sollten Standardverfahren zur Führung der Personalakten von Klerikern entwickelt und überdiözesane Kontrollverfahren für den Umgang mit Missbrauch und die Vorbeugung eingeführt werden.

"Neues Miteinander"

"Ohne eine unabhängige Aufarbeitung gibt es keine wirksame Veränderung und Gerechtigkeit", heißt es in der Erklärung. "Wir wollen klären, wer über die Täter hinaus Verantwortung institutioneller Art für das Missbrauchsgeschehen in unserer Kirche getragen hat." Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sagte, es dürfe keine Tabus geben. Es gehe auch um Teilung und Kontrolle von Macht und ein neues Miteinander in der Kirche.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, betonte, die Maßnahmen sollten kontinuierlich überprüft und über das Vorgehen öffentlich berichtet werden. "Ausdrücklich soll der weitere Weg gemeinsam mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs, externen Fachleuten und Vertretern unserer Laiengremien, besonders des Zentralkomitees der deutschen Katholiken erfolgen." Er sprach von einer neuen Etappe, in der eine konkrete Aufarbeitung erfolgen müsse.

Forscherteam geht von Dunkelziffer aus

Am Dienstag hatten Wissenschaftler bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe eine Studie zum Missbrauch in der Kirche vorgestellt. In den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 hatte das Forscherteam Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute gefunden.

Die Experten gehen zudem von weiteren Fällen aus, die nicht in den Akten erfasst sind.

Jeder Bischof soll im Kommunionstreit selbst entscheiden

Weiteres Thema der Herbstvollversammlung waren mögliche gemeinsame Richtlinien zur Zulassung nichtkatholischer Ehepartner zur Kommunion. Die Entscheidung liege bei den einzelnen Bischöfen, erklärte Kardinal Marx. Künftig müssten die "Sorge um die Einmütigkeit nach innen ebenso wie die Sorge um die volle sichtbare Einheit der Kirche gleichermaßen im Blick bleiben." Marx betonte, letztlich gehe es nicht um Zulassung zur Kommunion oder um Abweisung, sondern darum, den Pfarrern und den Betroffenen eine Grundlage für verantwortbare Entscheidungen an die Hand zu geben.

In ihrer Frühjahrsvollversammlung in Ingolstadt hatte die Bischofskonferenz mit Dreiviertelmehrheit Leitlinien verabschiedet, die eine Zulassung nichtkatholischer Ehepartner zur Kommunion unter bestimmten Bedingungen nahelegten. Darüber gab es in den Folgemonaten zum Teil heftige Auseinandersetzungen zwischen der Mehrheit und einer Minderheit der Bischöfe, die einer solchen Öffnung skeptisch gegenüber standen.

Nach Interventionen der Römischen Glaubenskongregation und des Papstes wurden die Leitlinien schließlich als unverbindliche Orientierungshilfe veröffentlicht. Unterdessen haben manche Bischöfe sie für ihr Bistum übernommen, andere behandelten sie zurückhaltend.

Kirchenasyl: "Schutzsuchende an erster Stelle"

Die katholischen Bischöfe äußerten sich auch zum Kirchenasyl und übten Kritik am jüngsten Erlass aus dem Bundesinnenministerium zum Thema. "Aus kirchlicher Perspektive stehen die Bedürfnisse schutzsuchender Menschen an erster Stelle", erklärte Kardinal Marx. "Deshalb bedauern wir zusätzliche administrative Hürden, die zulasten der betroffenen Menschen gehen."

Zuletzt sorgten steigende Zahlen für neue Diskussionen zum Kirchenasyl. Etwa 90 Prozent der Schutzsuchenden sind sogenannte Dublin-Fälle, die eigentlich in das EU-Ersteinreiseland zurückgeschickt werden müssten, um dort Asyl zu beantragen. Läuft jedoch die Überstellungsfrist von sechs Monaten ab, ist Deutschland für den Asylantrag zuständig.

Für gutes Einvernehmen

Laut dem seit 1. August geltenden Erlass von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und seinen Kollegen in den Ländern kann sich dieser Selbsteintritt Deutschlands bei Kirchenasyl-Fällen auf 18 Monate verlängern, wenn beispielsweise die Gemeinden nicht binnen vier Wochen ein Härtefall-Dossier vorlegen.

Marx betonte zugleich, es sei ein Anliegen, "dass die Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften klug mit der Tradition des Kirchenasyls" umgingen. "Ein gutes Einvernehmen mit den staatlichen Stellen ist nicht zuletzt im Interesse der Schutzsuchenden selbst; denn nur so ist es möglich, tragfähige Lösungen zu finden."

Organspende: Bischöfe für audrückliche Zustimmung

Zum Thema Organspende lehnen die Bischöfe eine stärkere rechtliche Verpflichtung der Bürger ab und wandten sich gegen die Einführung einer Widerspruchsregelung. "Wir stehen der Organspende ausdrücklich positiv gegenüber. Sie ist für Christen eine Möglichkeit, Nächstenliebe auch über den Tod hinaus auszuüben", betonen die Bischöfe. "Ethische Voraussetzung hierfür ist, dass der Spender der Organentnahme informiert, ganz bewusst und ausdrücklich zustimmt." Das geböten Selbstbestimmung, Patientenautonomie und die Würde des Menschen.

"Problematisch ist die Widerspruchsregelung also deshalb, weil die Freiwilligkeit der Organspende nicht zweifelsfrei feststeht und weil das Konzept der Autonomie zugunsten eines staatlichen Paternalismus aufgegeben wird", heißt es in der Erklärung der Bischofskonferenz. Eine moralische oder gar rechtliche Pflicht zur Organspende lasse sich nicht begründen.

Vertrauen zurückgewinnen

Um die Zahl der Organspenden zu erhöhen, empfiehlt die Bischofskonferenz, vorrangig die Prozesse rund um die Organspende in den Blick zu nehmen und die Abläufe in den Kliniken zu verbessern. "Um die Bereitschaft zur Organspende - und somit die Spenderzahl - zu erhöhen, muss nicht zuletzt auch Vertrauen zurückgewonnen werden, das durch verschiedene Skandale verloren gegangen ist."

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) hatten sich angesichts der niedrigen Zahl an Organtransplantationen in Deutschland dafür ausgesprochen, statt der geltenden Zustimmungslösung die Widerspruchslösung einzuführen. Dann wäre jeder Bürger potenzieller Organspender, außer er hat ausdrücklich widersprochen. Derzeit bedarf es für eine Transplantation der ausdrücklichen Zustimmung des Spenders zu Lebzeiten.

Humboldt-Uni: Bischöfe begrüßen Theologie-Institut

Die Konferenz ging auch auf die geplante Konzentration der Lehrstühle für katholische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität ein. Laut der Erklärung befürworten die Bischöfe die geplante Ausstattung mit insgesamt fünf Professorenstellen und den inhaltlichen Schwerpunkt in "theologischer Anthropologie". Das Institut solle Antworten geben auf "Herausforderungen hinsichtlich der wachsenden Säkularisierung und Pluralisierung der Gesellschaft". (KNA)


Quelle:
KNA , DBK
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