Katholische Dominanz am US-Supreme-Court

Gewachsener Einfluss

Mit der Nominierung von Brett Kavanaugh für den Supreme Court der Vereinigten Staaten ist klar: Die Dominanz katholischer Richter am Obersten Gerichtshof bleibt wohl erhalten. Das ist keine ganz zufällige Konstellation.

Autor/in:
Thomas Spang
Supreme Court der USA / © Tyler Orsburn (KNA)
Supreme Court der USA / © Tyler Orsburn ( KNA )

Es ist gar nicht so lange her, da galten Katholiken in den lange von Protestanten dominierten USA als unsichere Kantonisten. Sie machen heute rund 20 Prozent der US-Gesellschaft aus. Umso erstaunlicher ist ihre starke Präsenz am Supreme Court. Falls der Senat den aktuellen Kandidaten Brett Kavanaugh (53) bestätigt, sitzen wieder fünf Katholiken im Neuner-Kollegium des höchsten Gerichts.

Dieses Übergewicht wirkt überraschend, auch weil US-Präsident Donald Trump sich vor allem mit Evangelikalen umgibt, die zu seinen größten Unterstützern zählen. Die Nichtkatholiken am Obersten Gerichtshof sind jedoch ebenso wenig evangelikal sozialisiert. Neil Gorsuch, erster von Trump bestellter Neurichter, gehört der Episkopalkirche an. Die übrigen drei Top-Juristen sind Juden.

Von Richtern wird Distanz zum Vatikan erwartet

Der Professor für Philosophie und Kirchenrecht an der Baylor University, Francis Beckwith, erklärt die Überrepräsentanz von Katholiken und Juden mit der Betonung des Rechts in beiden Glaubenstraditionen. "Aus Sicht republikanischer Präsidenten handelt es sich um vielseitig verwendbare Kandidaten", meint der stellvertretende Dekan der Notre Dame Law School, Richard Garnett. Katholische Juristen überzeugten allein schon "wegen ihrer Anti-Abtreibungshaltung".

Dennoch wird von katholischen Supreme-Court-Richtern bis heute eine gewisse Distanz zum Vatikan erwartet. Als Richter Clarence Thomas Anfang der 1990er Jahre von George Bush senior die Ernennung erhielt, interessierte die Senatoren in der Befragung des Kandidaten vor allem dessen Unabhängigkeit vom Papst. Die fachliche Qualifikation scheint indes ein Vorteil katholischer Kandidaten zu sein, sagt Jay Michaelson, Autor der Website "Daily Beast". "Juristen können in den USA keine bessere Ausbildung bekommen als bei den Jesuiten", so der Rechtsexperte. Die Dominanz der Katholiken am Supreme Court ist aber eher das Ergebnis der jüngeren Zeit.

Anfangs wenige katholische Richter

In der Geschichte des Gerichts haben es gerade einmal zwölf katholische Richter auf den Olymp der US-Juristerei geschafft. Der erste Katholik hieß Roger Taney, der 1836, etliche Jahrzehnte nach der Staatsgründung, berufen wurde. Knapp 60 Jahre vergingen, bis der zweite römisch-katholische Jurist folgte. Lange dauerte es auch bis zur Wahl des ersten und bislang einzigen katholischen US-Präsidenten John F. Kennedy im Jahr 1961.

Die Offenheit der katholischen sowie der jüdischen Religion für intellektuelle Fragen hält der US-Historiker John Fea für eine plausible Erklärung für den gewachsenen Einfluss am höchsten Gericht. Anders als die Evangelikalen, die ihr gesamtes Weltbild auf die Lehren der Bibel stützten, seien Katholiken und Juden offener für größere Zusammenhänge. Das Gemeinwohl des Staates und der Nation würden bei beiden "über die Bedürfnisse der eigenen religiösen Traditionen" gestellt.

Sorge bei den Demokraten vor konservativem Kurs

Dass Katholiken seit Jahren den Ton am Supreme Court angeben, hat vor allem auch mit Leonard Leo zu tun. Er ist die graue Eminenz der konservativen Juristenvereinigung Federal Society, die dem US-Präsidenten geeignete Kandidaten präsentiert. Sie ist in Washington etwa so einflussreich wie die Waffen- oder Pharmalobby, so die Einschätzung des früheren Vorsitzenden der US Commission on International Religious Freedom, Tom Carter.

Der Katholik Leo habe vor 20 Jahren festgestellt, dass die Konservativen den Kulturkampf im Land verloren hätten. Mit anfangs nur wenigen Verbündeten versuchte er, über die Besetzung von Richterposten eine gesellschaftspolitische Schubumkehr zu organisieren. Denn die Richter des Supreme Court werden auf Lebenszeit berufen und können so mit ihren Entscheidungen langfristig eine bestimmte Politikrichtung zementieren.

Von den 25 Namen auf der Vorschlagsliste für Trump gehörten 24 der Federal Society an. Auch Brett Kavanaugh zählt dazu. Besonders im demokratischen Lager ist die Sorge groß, dass das höchste Gericht nun für Jahrzehnte einen stramm konservativen Kurs verfolgen wird. Nicht zuletzt wegen der fünf katholischen Vertreter.


Brett Kavanaugh / © Manuel Balce Ceneta (dpa)
Brett Kavanaugh / © Manuel Balce Ceneta ( dpa )
Quelle:
KNA