Als Anita Hassell kurz nach dem Amtsantritt Donald Trumps die Nachricht erreichte, konnte sie es kaum glauben. Per Dekret hatte der Präsident sämtliche Bundesmittel für Auslandshilfe und Flüchtlingsansiedlung eingefroren. Für die Leiterin der Catholic Charities in der Diözese St. Augustine in Florida bedeutete dies den Anfang vom Ende einer jahrzehntelangen Arbeit.
"Das ist wirklich über Nacht passiert", berichtet Hassell dem "National Catholic Reporter" (NCR), der in einer breit angelegten Recherche die Konsequenzen des Präsidenten-Dekrets in den US-Diözesen zusammentrug. Angesichts von 1,2 Millionen Dollar, die der Bund ihrer Einrichtung für bereits erbrachte Leistungen schuldet, sah sich Hassell gezwungen, zunächst 26 Mitarbeiter zu entlassen.

Flüchtlinge stehen vor dem Nichts
Als dann das US-Außenministerium Ende Februar der US-Bischofskonferenz mitteilte, dass die Verträge zur Flüchtlingsansiedlung gekündigt würden, musste sie den restlichen zehn Mitarbeitern des Programms ebenfalls kündigen. "Ende März schließen wir das Programm vollständig", sagt Hassell resigniert.
Besonders schlimm ist das für die fast 500 legal eingereisten Flüchtlinge, die dann vor dem Nichts stehen. Die letzte Hoffnung bleiben private Spender und Stiftungen, die helfen könnten, Geld für ihre Miete aufzubringen oder Arbeit für sie zu finden.
Was in Florida geschieht, ist keine Ausnahme. Überall im Land müssen Catholic Charities ihre Programme zur Flüchtlingsansiedlung einstellen. Mindestens zwölf Einrichtungen haben seit Ende Januar hunderte Mitarbeiter entlassen. Gleichzeitig versuchen sie verzweifelt, weiterhin grundlegende Hilfen für Bedürftige anzubieten - für Miete, Lebensmittel und medizinische Versorgung.
Gefühl der Unsicherheit
Die abrupte Beendigung einiger staatlicher Verträge und die Zurückhaltung staatlicher Mittel für bereits erbrachte Leistungen hätten "ein breites Gefühl der Unsicherheit unter religiösen Sozialdienstleistern geschaffen", beschreibt Kevin Brennan, Sprecher der Catholic Charities USA, die Lage.
In Syracuse im Bundesstaat New York musste das Hilfswerk elf Mitarbeiter des Flüchtlingsprogramms entlassen, weitere 40 beurlauben und Verwaltungsstellen streichen. "Es ist ein mathematisches Problem mit einer sehr realen menschlichen Tragödie", beschreibt der dortige Leiter der Catholic Charities, Michael Melara, dem NCR die Situation. Zwar steht der Organisation Geld aus bereits erbrachten Leistungen zu. Aber solange die Regierung die Mittel nicht erstattet, müssen die Ausgaben entsprechend gekürzt werden.

In Virginia steht Jason Brown, CEO der Commonwealth Catholic Charities, vor ähnlichen Herausforderungen. Die Organisation musste 26 Mitarbeiter entlassen - etwa jeden fünften. In Missouri haben die Catholic Charities of Central and Northern Missouri seit dem 1. Februar sogar für die Hälfte der Mitarbeiter im Bereich Flüchtlingsansiedlung keine Arbeit mehr.
Klagen gegen die Regierung
Besonders dramatische Ausmaße nahm die Situation in Texas an. Die Catholic Charities der Erzdiözese Galveston-Houston musste im Februar 50 Zeitarbeiter und 130 Vollzeitkräfte entlassen, was allein für Abfindungen Kosten von etwa 150.000 Dollar verursachte. In Fort Worth verklagte das katholische Hilfswerk die Trump-Regierung vor einem Bundesgericht. Die Organisation fordert die sofortige Freigabe von 36 Millionen Dollar an Mitteln für die Flüchtlingsansiedlung, die seit Januar eingefroren sind.
Die katholische US-Bischofskonferenz zog ihrerseits vor ein Bundesgericht, um den plötzlichen Stopp des Flüchtlingsansiedlungsprogramms anzufechten. Doch selbst wenn die Klage Erfolg haben sollte, bleibt fraglich, ob die zerstörten Strukturen wieder aufgebaut werden können.
Für die katholische Kirche in den USA bedeutet der erzwungene Rückzug aus diesem Feld einen tiefen Einschnitt in ihre karitative Identität. Sprecher Brennan versucht, die Dinge mit Zuversicht zu sehen. "Die Catholic Charities werden im ganzen Land weiterhin barmherzige, lebensverändernde Unterstützung für die schutzbedürftigsten Mitglieder ihrer lokalen Gemeinschaften anzubieten." Die offene Frage bleibt aber, ob es je wieder eine Rückkehr zur traditionellen Flüchtlingsarbeit der Kirche geben kann.