DOMRADIO.DE: Vor gut zwei Jahren wurde das sogenanntes Terrorismus-Abriegelungszentrum CECOT in Betrieb genommen Was steckt dahinter?

Inés Klissenbauer (Mittelamerika-Referentin beim katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat): Vor allem steckt das Image Nayib Bukeles dahinter, des Präsidenten von El Salvador. Mit dem CECOT will er unter Beweis stellen, wie professionell und überaus wirksam er die Verbrechensbekämpfung angeht. Das CECOT (Centro de Confinamiento del Terrorismo) wurde als größtes Gefängnis Lateinamerikas erbaut - mit viel Polemik und in einer Rekordzeit von nur drei Monaten.
Bukele ließ es als Vorzeigegefängnis errichten, seitdem steht es symbolhaft für die Verbrechensbekämpfung des Präsidenten. Es ist das einzige Gefängnis, in das die wenigen ausländischen Journalisten im Land bisher Einlass bekamen und darüber berichten konnten. Sie berichteten von 80 Personen in Zellen ohne Fenster, von minimaler sanitärer Versorgung und völliger Isolation.
Im CECOT herrschen sicher menschenunwürdige Zustände. Dabei sind die Haftbedingungen im Vergleich zu denen in den übrigen Gefängnissen des Landes sogar eine Stufe besser, sodass die Regierung sie für vorzeigbar hält. Die Mehrheit der Gefangenen wird bis heute in anderen Justizvollzuganstalten festgehalten, sodass das CECOT mit seinen 40.000 Plätzen längst nicht voll belegt ist. Deshalb hat Bukele Trump angeboten, Strafgefangene aus den USA aufzunehmen.
DOMRADIO.DE: Als Hintergrund muss man über Bukeles Krieg gegen die berüchtigten Jugendbanden El Salvadors sprechen.
Klissenbauer: Nayib Bukele ist 2019 vor allem wegen seines Versprechens gewählt worden, die Kriminalität im Land radikal zu beenden. Bis dahin hatte El Salvador die höchste Mordrate außerhalb von Kriegssituationen weltweit, litt massiv unter Bankenkriminalität. Blitzentführungen und Schutzgelderpressungen, Drangsalierungen und Morde waren an der Tagesordnung, die Bevölkerung hatte enorm unter der ständigen Bedrohung und Unsicherheit zu leiden.
Bukele hat dann ungeachtet der bestehenden salvadorianischen Gesetze das Land extrem militarisiert. Er hat die kriminellen Gruppen zu Terroristen erklärt und das CECOT als Terroristen-Gefängnis gebaut. Vor knapp drei Jahren – am 27.3.2022 – rief er den Ausnahmezustand aus, der seitdem illegaler Weise immer wieder verlängert wird. Damit konnte Bukele praktisch jeden von der Straße weg inhaftieren lassen.
Inzwischen ist die Sicherheitslage im Land eklatant besser geworden. El Salvador, heißt es, habe sich vom gefährlichsten und kriminellsten Land Lateinamerikas zum sichersten gewandelt. Kein Wunder, dass Bukeles Politik der harten Hand viele Nachahmer findet, allerdings zu einem sehr hohen Preis. Denn heute sitzt ein Prozent der insgesamt sechseinhalb Millionen Bürgerinnen und Bürger El Salvadors in Haft – ein Prozentsatz so hoch wie nirgends sonst auf der Welt. Unter den Gefangenen sind nachweislich sehr viele Unschuldige.
Bei seiner zweiten Amtsübernahme im vergangenen Jahr, hat Bukele nun angekündigt, er werde auch die wirtschaftliche Lage verbessern. Denn die Wirtschaftsschwäche gehört zu den strukturellen Problemen El Salvadors, wo nach wie vor sehr viele Menschen in großer Armut leben. Es gibt keine Arbeit, es gibt kaum wirtschaftliche Entwicklung, was wiederum Kriminalität befördert.
DOMRADIO.DE: Bukele feiert seinen Deal mit den USA, weil er viel Geld dafür bekommt. Sechs Millionen Dollar sollen es bisher gewesen sein. Ist das nicht auch eine gute Nachricht fürs Land?
Klissenbauer: Das kann man nun wirklich nicht sagen. El Salvador liegt wirtschaftlich am Boden, es ist hoch verschuldet und bietet den Menschen kaum Arbeitsmöglichkeiten, weswegen auch so viele das Land verlassen. Allein Bukeles neuer Sicherheitsapparat verschlingt viele Millionen Dollar. Sein Deal mit Trump dient ihm vor allem dazu, sich weltweit als derjenige zu zeigen, der Verbrechensbekämpfung kann und sich jetzt sogar der US-Regierung anbietet.
Er will Mitspieler in der ersten Welt sein, in der entwickelten Welt, in der Welt, die Macht schafft und Verbesserung bringt. Bukele verfügt über einen riesigen manipulativen Medienapparat. Wobei wir vor Augen haben müssen, dass viele Salvadorianer nur einen geringen Bildungsgrad haben und damit leicht zu manipulieren sind. Und auch wenn Bukele mit einem sehr hohen Anteil der Stimmen wiedergewählt wurde, waren die Wahlen ganz offensichtlich nicht wirklich fair und frei.
Auch heute herrschen Angst und Schrecken im Land. Wer früher Angst vor den Bandenkriminellen hatte, hat inzwischen Angst vor der Regierung. Längst mussten etliche Journalisten und Juristinnen, Menschenrechts- und Umweltaktivisten fliehen. Sie werden unter fadenscheinigen Gründen festgenommen. Mit anderen Worten: Bukele baut sich mit seinem Clan eine Diktatur auf. Die Großfamilie Bukele berät ihn und hat sich schon sehr viel Land unter den Nagel gerissen. Sie operiert größtenteils in der Illegalität und die Leidtragenden sind die Menschen El Salvadors.
DOMRADIO.DE: Ein US-Bundesrichter wollte die Abschiebung der Venezolaner noch in letzter Minute verhindern, aber die Trump-Administration hat sich einfach darüber hinweggesetzt. Was zeigt das?
Klissenbauer: Das zeigt erst einmal, dass sich Bukele in guter Gesellschaft befindet. Die USA, die bis vor kurzem als Vorbild galten, zeigen inzwischen, wie man einfach Gesetze umgeht oder Gesetze aushebelt. Genau das macht auch Bukele. Schließlich gibt es in El Salvador kein Gesetz, dass es erlauben würde, ausländische Strafgefangene ins Land zu holen.
Auch Bukele bricht das Recht, agiert im rechtsfreien Raum. Wobei er als jüngster Präsident Lateinamerikas sehr populär ist, vor allem, weil er sich als großer Macher verkauft. Denn so viele Länder Lateinamerikas haben ein überbordendes Problem mit Drogen- und Gewaltkriminalität. Da scheint Bukele ihnen als großes Vorbild.
DOMRADIO.DE: El Salvador ist noch immer mehrheitlich katholisch. Was sagt die katholische Kirche grundsätzlich zu Bukeles Anti-Banden-Politik? Und haben sich Kirchenvertreter schon zur Abschiebung aus den USA geäußert?
Klissenbauer: Ich kenne noch keine konkreten Äußerungen zum Deal zwischen Bukele und Trump. Tatsächlich ist die Kirche in der ganzen Region sehr unter Beschuss geraten. In einem Nachbarland in Mittelamerika etwa hat die Kirche heute massiv unter Repression zu leiden. Von daher agiert die katholische Kirche El Salvadors vorsichtig.
Aber es gibt auch sehr deutliche kirchliche Stimmen, die sich gegen die massiven Inhaftierungen richten, die an der Seite der vielen Angehörigen stehen, deren Familienmitglieder unschuldig in Gefängnis sitzen und unter unvorstellbar brutalen Haftbedingungen leiden. Die Angehörigen müssen die Gefangenen ernähren. Sie wissen meist nicht einmal, wo genau sie inhaftiert sind. Sie dürfen sie nicht besuchen. Sie wissen oft nicht einmal, ob ihre Kinder oder Männer oder Frauen noch leben. Manche bekommen einen Anruf aus der der Haftanstalt, der Sohn sei leider in Haft gestorben und bekommen ihr Kind als Leichnam mit Folterspuren und ohne Organe zurück.
Für die Bevölkerung ist das eine fürchterliche Situation. Es herrschen Angst und Schrecken und die Kirche unterstützt in einigen Landesteilen Angehörige der Inhaftierten. Wir von Adveniat unterstützen als katholisches Hilfswerk für Lateinamerika die Kirche an der Seite der Familienangehörigen dieser unschuldig inhaftierten Menschen. Genauso unterstützen wir verschiedene Organisationen, die sich darum bemühen, diese wirklich sehr schwierige und sehr schreckliche Situation zu erleichtern.
Das Interview führte Hilde Regeniter.