Deutschland altert, und in Sachen Pflege und medizinischer Versorgung von immer mehr hochbetagten Menschen sind kreative Lösungen gefragt. Denn die Zahlen sind dramatisch: Während heute rund 2,6 Millionen Menschen - in unterschiedlich hohem Maße - auf Pflege angewiesen sind, könnten es 2030 bereits 3,5 Millionen sein. Und Experten sagen bis 2050 noch einmal einen Anstieg voraus.
"Bereits jetzt haben viele Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste erhebliche Probleme, genügend Pflegekräfte zu finden", betont die Freiburger Professorin für Gerontologie, Cornelia Kricheldorff. Sie ist davon überzeugt - und die ersten Anfänge sind bereits vielerorts zu sehen - dass sich im Pflegesystem viel bewegen wird und muss, dass vor allem neue Formen im Zusammenleben und Betreuen alter Menschen entstehen werden.
Perspektiven für die stationäre Pflege
Ein Beispiel sind die sogenannten Pflege-WGs, bei denen maximal zwölf Personen in von ihnen angemieteten Räumen leben und ihren täglichen Bedarf von Pflege bis Einkaufen mit unterschiedlichen Partnern organisieren. Häufig kommt dabei auch ehrenamtliches und nachbarschaftliches Engagement ins Spiel, zudem ist die Kooperation mit Angehörigen wichtig.
Die Katholische Hochschule Freiburg hat nun im Auftrag des Landessozialministeriums Baden-Württemberg ein auf drei Jahre angesetztes Forschungsprojekt gestartet, das Perspektiven für die stationäre Pflege, also die klassischen Pflege- und Altenheime, entwickeln will. Beteiligt ist auch ein Team um den Pflegewissenschaftler Hermann Brandenburg von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar/Koblenz.
Dabei nehmen die Wissenschaftler gemeinsam die Kernfrage in den Blick, wie in Pflegeheimen künftig verschiedene Berufsgruppen interdisziplinär zusammenarbeiten können. Das Ziel ist, durch eine größere Bandbreite von Qualifikationen und Ausbildungen die Lebens- und Pflegequalität für die Bewohner zu verbessern.
Fächerübergreifendes Zusammenarbeiten
Andererseits, so die Vermutung, könnten dadurch auch die Mitarbeiter von besseren Arbeitsbedingungen profitieren. "Denn viel zu oft gerät bislang aus dem Blick, dass viele Beschäftigte trotz ihres enormen persönlichen Engagements im extrem fordernden Alltag überlastet sind", so Projektmitarbeiterin Maren Kailer, die selbst lange in der Pflege arbeitete.
Das Projekt soll nun Wege suchen, wie das fächerübergreifende Zusammenarbeiten im Pflegeheim gelingen und gestaltet werden kann. Wie also können die klassischen Alten- und Krankenpflegerinnen, Sozialpädagogen, Hauswirtschaftler, Heilerzieher oder auch Therapeuten in den Pflegealltag integriert werden? Dabei dürfte auch die Frage nach der Finanzierung breiten Raum einnehmen.
Erst einmal eine Bestandsaufnahme
Als ersten Schritt starten die Wissenschaftler mit einer intensiven Bestandsaufnahme in acht kooperierenden Pflegeeinrichtungen in ganz Baden-Württemberg. "Wir werden Pflegekräfte und Bewohner ausführlich befragen, die jeweiligen Pflegedokumentationen auswerten und schließlich in den Alltag als 'teilnehmende Beobachter' hineinschauen", so Thomas Brijoux von der Katholischen Hochschule. In einem zweiten Schritt sollen dann alle stationären Pflege- und Altenheime angeschrieben und mittels Fragebogen zur beruflichen Zusammensetzung ihrer Teams befragt werden.
"In der abschließenden Gesamtauswertung werden wir dann schließlich Empfehlungen für Praxis und Politik erarbeiten, wie vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel, Sparzwängen und demografischem Wandel neue Wege der Zusammenarbeit im Pflegeheim der Zukunft gestaltet werden können", so Kricheldorff.