Katholische Medienpreisträgerin Trapp ruft zur Flüchtlingshilfe auf

Auf Dawits Spur

Auf eindrucksvolle Weise zeigen die TV-Journalistinnen Ellen Trapp und Natalie Amiri die Odyssee des Flüchtlings Dawit von Eritrea nach Europa. Für ihre Doku " Tod vor Lampedusa " gab es den Katholischen Medienpreis.

Überlebende der Lampedusa-Tragödie 2013 (dpa)
Überlebende der Lampedusa-Tragödie 2013 / ( dpa )

domradio.de: Was war für Sie der Ausgangspunkt, diesen Film zu machen?

Ellen Trapp (Preisträgerin des Katholischen Medienpreises in der Kategorie "Elektronische Medien"): Es gab damals Anfang Oktober 2013, ein relativ schlimmes Unglück. Heute wissen wir, es ist eines von so vielen. Damals sind fast 400 Leute in der Nacht zum 3. Oktober ertrunken, vorwiegend Eritreer, die auf diesem Boot gesessen sind. Sie ertranken kurz vor Lampedusa. Ich habe mich damals gefragt, wer sind die Leute eigentlich, die auf diesem Boot sitzen? Wo liegt Eritrea? Warum flüchten sie aus Eritrea? Uns ist es damals gelungen, dass wir die Geschichte von zwei Flüchtlingen, Dawit, der hat überlebt und lebt heute in Hessen und Bimnet, er ist ertrunken, versucht haben zu rekonstruieren. Wir sind damit im Film zurückgegangen bis nach Eritrea zu Dawits Schwester, zur Familie, um zu erspüren, zu erfahren, was diese Menschen alles mitmachen, alles durchmachen. Dawit und Bimnet sind ja nur zwei Beispiele von ungefähr 60 Millionen, die sich derzeit weltweit auf der Flucht befinden, die dem Tod täglich in die Augen schauen, auf diesem gefährlichen Trip nach Europa.

domradio.de: Sie selbst waren auf Lampedusa, gibt es außer Dawits Geschichte noch markante Eindrücke, mit denen Sie heute jeden Tag wieder aufwachen?

Trapp: Es gibt markante Eindrücke, aber es gibt auch positive Eindrücke, nämlich Jakob, ein anderer Eritrea, den wir im Sudan in Khartoum damals kennengelernt haben, der sich vorbereitete, den zweiten Versuch durch die libysche Wüste nach Europa zu starten. Er ist seit Ende Juli letzten Jahres in Magdeburg, spricht mittlerweile recht gut Deutsch und hat mir gestern geschrieben, dass er jetzt eine Aufenthaltserlaubnis hat für drei Jahre. Das sind Momente, in denen ich mich sehr freue, dass es Menschen gibt, die überlebt haben. Als ich diese Menschen damals getroffen habe, habe ich gedacht, was kann ich Ihnen Gutes tun, wünschen, damit sie heil und lebend europäischen Boden betreten. In Libyen waren ganz unglaubliche Szenen, weil die Stabilität im Land als wir damals gedreht haben, bröckelte. Es war halbwegs ruhig und begann dann wieder mit vielen Unruhen. Wenn ich mir dann vorstelle, dass ich auf der Flucht bin, dass ich nie wieder zurück kann in mein Heimatland, dass es immer nur nach vorne geht, aber ich in einem Land lebe, in dem ich weder erwünscht bin, weil das sind die Afrikaner oder die Eritreer beispielsweise nicht, indem ich nicht weiß, wie lange ich bleiben muss, woher ich das Geld nehmen soll, um dann wieder diesen Todestrip über das Meer zu wagen. Das sind Bilder und Momente und Gedanken, die ich mir gemacht habe, die mich auch so schnell nicht wieder verlassen und die mir immer wieder präsent sind, wenn ich selbst jetzt auch von Lesbos berichten muss oder wenn ich mich morgen auf dem Weg mache nach Malta, um mir dort anzuschauen, wie die Flüchtlingssituation ist in Anbetracht des europäisch-afrikanischen Gipfels, der da nächste Woche stattfindet.

domradio.de: Wenn Sie die aktuellen politischen Ereignisse in Deutschland zum Thema verfolgen, haben Sie dann einen Ansatz, der helfen kann?

Trapp: Ich kann natürlich im Moment nur all jenen ehrenamtlichen Helfern dankbar sein und ich kann mich nur aufregen über all die kontraproduktiven Störenfriede, die sagen, dass wir Obergrenzen brauchen und dass wir die Leute zurückschicken, dass wir sie gar nicht erst kommen lassen - ohne dabei zu bedenken, was man tun könnte, damit diese Leute nicht mehr nach Europa drängen, sondern das, was sie viel lieber tun würden, nämlich in ihrer Heimat bleiben.

Wenn ich über Deutschland rede, kann ich nur hoffen, dass wir alle gemeinsam - und da muss Politik die Rahmenbedingungen schaffen, dass diese Stimmung im Land nicht kippt. Da ist es wahnsinnig wichtig, jedes Wort, was man im Moment spricht, auch genau zu überdenken, denn der rechte Mob ist ja sehr aktiv, was wir auch jeden Tag in den Nachrichten hören. Ich wünsche mir sehr, dass wir es auch alle als Chance begreifen, diese Menschen kennenzulernen und diesen Menschen zu helfen und davon auch für unser eigenes Leben zu profitieren. Ich würde es da mit Kardinal Marx Worten nehmen: Wenn das zu unserer christlichen Identität gehört, dass wir Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen, dann pfeife ich auf meine christliche Identität. Das kann ich nur unterschreiben. Wir sind ein reiches Land, wir sind eigentlich fähig, solche Ereignisse zu stemmen. Das haben wir schon mehrfach bewiesen. Wir sollten alle - und Politik gerne vorneweg - die Ärmel hochkrempeln und sagen, wir meistern das alle gemeinsam.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Ellen Trapp / © privat
Ellen Trapp / © privat
Quelle:
DR