DOMRADIO.DE: Etwa 3.000 Radiopredigten des Angebots "Kirche in 1Live" wurden jetzt von einer Sprachforscherin untersucht. Dabei kam zum Beispiel heraus, dass Katholiken öfter das Wort "mein" oder "meins" benutzen. Ist das nachvollziehbar für Sie?
Pater Philipp Reichling (Leiter des katholischen Rundfunkreferats in NRW): Das ist für mich sofort nachvollziehbar. Die Untersuchung bezieht sich ja speziell auf die Verkündigungssendung "Kirche in 1Live". Damit haben wir ein besonderes Zielpublikum: junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren. Die Autorinnen und Autoren haben einen sehr emotionalen Zugang.
Und katholischerseits - vermute ich einmal mehr - gibt es auch eine größere Identifikation mit der eigenen Kirche. Deswegen taucht das Wörtchen "meine Kirche" oder "mein Glaube" etwas stärker auf als in der evangelischen Kirche.
DOMRADIO.DE: Bei der Themenauswahl kommt die Forscherin zu dem Ergebnis, dass Katholiken oft über kritische Themen reden, über die Kirchenkrise sprechen. Deckt sich auch das mit Ihren Erfahrungen?
Reichling: Jetzt kann ich natürlich erst mal nur stärker für die katholische Kirche reden. Aber ich würde sagen, dass es eine sehr selbstkritische Auseinandersetzung - gerade in den zurückliegenden Jahren - mit der katholischen Kirche gibt und dass Autorinnen und Autoren sich nicht scheuen, kritische Themen einfach anzufassen. Und die liegen bei der katholischen Kirche ja leider Gottes zurzeit sehr auf der Hand.
DOMRADIO.DE: Was sind denn typisch evangelische Themen?
Reichling: Es geht da auch um Alltagserfahrungen, aber vor allen Dingen auch um das Wachhalten der Rede von Gott und zwar der biblischen Texte von Gott. Das hat natürlich wieder etwas mit der eigenen Geschichte zu tun, vor allen Dingen mit der Lutherübersetzung, die ja das Lateinische ins Deutsche gebracht hat und bis heute sehr nachhaltig den Sprachduktus geprägt hat.
DOMRADIO.DE: Was unterscheidet denn die katholische von der evangelischen Herangehensweise?
Reichling: Ich glaube, die Herangehensweise ist gar nicht so unterschiedlich, weil wir dasselbe Zielpublikum haben.
Manchmal bin ich eigentlich ganz stolz darauf, wenn Leute sagen: Ich wusste jetzt gar nicht, ob es katholisch oder evangelisch ist. Dass eine Wissenschaftlerin das jetzt auseinandergenommen hat, ist natürlich sehr interessant. Sie macht es als Theologin und als Literaturwissenschaftlerin und hat eine Herangehensweise, die aus der Literaturwissenschaft kommt.
Ich glaube, ein Schlüssel ist immer eine persönliche Betroffenheit der Autorinnen und Autoren: Was liegt gerade an im eigenen Leben oder was liegt aktuell auch an im gesellschaftspolitischen Bereich? Daraus einen Gedanken zu formulieren, der etwas Trost und Zuversicht in das Hier und Jetzt geben kann, ist die Herausforderung.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie Reaktionen von den Hörerinnen und Hörern bekommen, machen die dann Unterschiede zwischen evangelisch und katholisch?
Reichling: Die Zuschriften, die wir bekommen, sind natürlich nicht immer nur für "1Live", sondern für das ganze Spektrum. Und da wird schon sehr genau geschaut, ja,
DOMRADIO.DE: Katholikinnen und Katholiken sprechen im Radio häufig persönlicher, sagt auch die Forscherin. Woran liegt das denn?
Reichling: Ich vermute, das hat ewas mit der Identifikation mit der katholischen Kirche zu tun. Auf der einen Seite eben eine größere persönliche Angebundenheit und daher die Herangehensweise auch an diese kritischen kircheneigenen Themen.
Ich will jetzt nicht sagen, dass die evangelische Kirche nicht sehr persönlich spricht, sondern die haben einen anderen Erfahrungsfundus, auf den sie zurückgreifen und von daher etwas zur Wirklichkeitsdeutung sagen.
Ich will mal so sagen: Der katholische Humus ist ein anderer als der evangelische Humus. Da sind die Bäume ein bisschen anders gewachsen und die haben andere Blüten und duften auch anders.
Das Interview führte Tobias Fricke.