Katholische Unternehmer gegen 32-Stunden-Woche für Eltern

"Keine staatliche Subventionierung"

Der Vorschlag einer 32-Stunden-Vollzeit-Woche für junge Eltern von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig wird vom Bund Katholischer Unternehmer kritisch gesehen.

 (DR)

domradio.de: Warum gibt es eine so große Empörung seitens der Wirtschaft?

Martin Wilde (Geschäftsführer BKU): Ich nehme die Empörung eigentlich gar nicht so wahr, Entsetzen auch nicht. Weil es ja in ganz vielen Unternehmen schon eine ganz große Vielzahl von Arbeitszeitmodellen gibt, eine große Flexibilisierung, da hat sich in den letzten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, doch eine Menge getan. Und es liegt ja auch im Interesse der Unternehmen, den Arbeitnehmern/innen und Angestellten entgegenzukommen und Flexibilität zu zeigen; das wird sich ja sicher auch in der ganzen Debatte um den Fachkräftemangel sicherlich in Zukunft weiter so entwickeln. Ich glaube, die Vorbehalte liegen darin, dass man sagt: Dafür brauchen wir eigentlich keine staatliche Subventionierung.

domradio.de: Bisher hat es aber nicht ohne geklappt, oder?

Martin Wilde: Doch, natürlich! Es gibt ja wie gesagt sehr viele Arbeitszeitmodelle der flexiblen Arbeitszeit. Z.B. was die Firma Trumpf in Baden-Württemberg in Hinblick auf Lebensarbeitszeitkonten macht – und das sehen wir vom Bund Katholischer Unternehmer genauso: Warum soll nicht ein junger Mann, eine junge Frau, der bzw. die gerade seine/ihre berufliche Ausbildung oder sein/ihr Studium abgeschlossen hat, die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche einmal für zwei, drei, vier Jahre voll ausschöpfen, um dann, wenn eben die Familiengründungsphase ansteht, entsprechend zu reduzieren; also vorarbeiten, Geld und Zeit ansparen, um dann bei Nachwuchs entsprechend kürzertreten zu können. Und wenn dann die Kinder größer sind, vielleicht sogar schon aus dem Haus sind, kann man die Wochenarbeitszeit ja auch wieder hochfahren. Wenn wir über Arbeitszeitflexibilisierung reden, dann muss es auch möglich sein, über einige Jahre mehr zu arbeiten als die gängige 38- oder 40-Std.-Woche, aber dann eben, wenn es die entsprechenden Bedürfnisse nahelegen, die Arbeitszeit zu reduzieren. Wir müssen auch sehen, dass wir die Diskussion nicht nur auf die Frage der Kinderbetreuung einengen dürfen. Was uns ganz große Sorgen macht, ist natürlich die Frage der Altenbetreuung. Unsere Gesellschaft wird älter, und da werden ganz viele Herausforderungen auf uns zukommen. Deswegen glauben wir, dass wir mit dem Stichwort ‘Lebensarbeitszeitkonten‘ und Phasen höherer Wochenarbeitszeit und Phasen niedrigerer Wochenarbeitszeit ganz gut fahren; und v.a. glauben wir, dass das Sache der Tarifparteien ist, das untereinander auszumachen, ‑ und natürlich Sache der Ehepartner, wie sie das im familiären Kontext umsetzen wollen.

domradio.de: Was Sie da gerade an vorbildlichen flexiblen Modellen genannt haben, ist ja dann doch eher die Ausnahme. Oder warum glauben Sie, dass die Politik sonst auf die Idee kommt, das politisch zu regeln?

Wilde: Politiker geben immer gern Geld aus, das liegt irgendwie in der Natur der Sache. Und wir machen einfach ein Fragezeichen, ob das an dieser Stelle notwendig ist. Und einen Hinweis möchte ich hier noch geben, nämlich dass wir meiner Meinung nach gut beraten sind, nach einzelnen Unternehmenstypen zu differenzieren. Man muss sicherlich Großkonzerne wie VW oder Siemens, wo natürlich auch die Gewerkschaften, die ja den Sozialdemokraten nahestehen, ziemlich stark sind, anders betrachten als den kleinen Handwerksbetrieb, den Einzelhandel, kleine mittelständische Familienunternehmen, die einfach wegen der betrieblichen Gegebenheiten vor ganz anderen Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, Arbeitszeiten flexibel zu gestalten. Und ich denke einmal, dass das einfach notwendig ist. Und wenn Sie schauen: 99,5% der Unternehmen in Deutschland sind eben kleine und mittelständische Betriebe, und nur 0,5% sind Großkonzerne. Dann ist es einfach angebracht, dass wir mit einem sehr differenzierten Blick auf die bunte Vielfalt der Wirtschaft schauen.

domradio.de: Worin liegt denn die Herausforderung, wenn wir auf die kleinen Unternehmen und Kleinstunternehmen schauen?

Wilde: Das ist doch klar: Wenn ich einen Kleinbetrieb mit drei, 13 oder 30 Mitarbeitern habe, die möglicherweise alle ihre Spezialisierung haben, dann bin ich natürlich nicht so flexibel, als wenn ich einen Großkonzern mit 3.000, 30.000 oder 300.000 Mitarbeiter/innen leite. In einem Kleinbetrieb ist es einfach viel schwieriger, flexibel zu sein, wobei wir aber auch wissen, dass gerade die Handwerksbetriebe, gerade die kleinen mittelständischen Unternehmen sich sehr um ihre Mitarbeiter/innen kümmern – man kennt sich persönlich, anders als in den Großkonzernen. Und unsere Wahrnehmung ist, dass das Bewusstsein doch sehr stark gewachsen ist, auch die familiären Verantwortlichkeiten und Pflichten mit ins Kalkül zu nehmen. Und das wird angesichts des Fachkräftemangels sicherlich auch in Zukunft ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn Arbeitnehmer eben von den Unternehmern ganzheitlich betrachtet werden und man versucht, auf ihre familiären Belange Rücksicht zu nehmen, wie wir es uns im BKU bemühen zu tun. Aber dafür brauchen wir den Staat nicht.

Das Interview führte Christian Schlegel.