Katholischer Bischof kritisiert ukrainische Politiker

"So ein Runder Tisch löst keine Konflikte"

Im Ukraine-Konflikt plädiert der Bischof von Charkiw, Stanislaw Szyrokoradiuk, für härtere Sanktionen der Weltgemeinschaft gegen Moskau. Im Interview kritisiert er die Angst vieler europäischer Staaten vor materiellen Verlusten.
 

Autor/in:
Oliver Hinz
Bischof Stanislaw Szyrokoradiuk (KNA)
Bischof Stanislaw Szyrokoradiuk / ( KNA )

KNA: Herr Bischof, Sie haben am Mittwoch am sogenannten Runden Tisch der nationalen Einheit teilgenommen. Sind Sie enttäuscht, dass es wenig konkrete Ergebnisse gegeben hat, außer dass man sich wieder treffen wird?

Szyrokoradiuk: Ich bin nicht einfach enttäuscht, ich bin sehr enttäuscht. Weil es dort Politiker gab, die diesen Runden Tisch für politische Rhetorik missbraucht haben. Ein solcher Runder Tisch löst überhaupt keine Konflikte. Aber er bietet wenigstens die Möglichkeit, über einige Themen zu sprechen. Der nächste Runde Tisch ist in Donezk geplant. Ich denke, das Ergebnis wird dasselbe sein; einzig der Ort ändert sich. Wir Katholiken sollten trotzdem an den Gesprächsrunden teilnehmen, um unsere Meinung zu äußern.

KNA: Welchen Standpunkt nimmt die römisch-katholische Kirche in dem Konflikt ein? Befürworten Sie den Militäreinsatz gegen die Separatisten?

Szyrokoradiuk: Der katholische Standpunkt ist dem Standpunkt der ganzen ukrainischen Gesellschaft ähnlich: Die territoriale Integrität der Ukraine muss bewahrt werden. Alle sollten ihre Verantwortlichkeit für den Staat begreifen. Unsere Priester leisten aktiv Seelsorge und unterstützen auf diese Weise den Kampfgeist der Soldaten und freiwilligen Kämpfer.

KNA: In vielen ostukrainischen Städten haben bewaffnete Separatisten die Macht übernommen. Dutzende Menschen kamen bei Gefechten ums Leben. Handelt es sich bereits um einen Bürgerkrieg?

Szyrokoradiuk: Von einem Bürgerkrieg spricht Russland. Das ist Moskaus großer Wunsch. Aber in Wirklichkeit kämpft die Ukraine gegen Terroristen und Moskauer Militär-Saboteure. Wir sind der Weltgemeinschaft dankbar, dass sie in dieser Situation mit bewaffneten Separatisten richtig orientiert ist. Die katholische Kirche spielt eine wichtige Rolle bei der Verbreitung wahrer Informationen. Die Weltgemeinschaft vertraut der katholischen Kirche und fragt uns.

KNA: Die beiden großen orthodoxen Kirchen der Ukraine sammeln Geld für die Armee des Landes. Ruft auch die katholische Kirche zu Spenden für das Militär auf?

Szyrokoradiuk: Für Waffen der Armee sammelt die katholische Kirche kein Geld. Aber wir sammeln Geld für Medikamente und Lebensmittel und leisten andere Hilfe für Bedürftige, insbesondere für die Opfer der Revolution auf dem Maidan. Die leiden jetzt in diesem Konflikt. Und wir ermuntern die ukrainische Gesellschaft zum Patriotismus und zur Unterstützung der ukrainischen Armee.

KNA: In den ukrainischen Medien findet die Sicht der Kirchen auf den Konflikt nur wenig Gehör. Ist die Rolle der Kirchen bei der Suche nach einer Lösung des Konflikts so klein?

Szyrokoradiuk: Die offizielle Sicht der Kirche wird in den Massenmedien dargestellt, etwa die Botschaften der Bischofskonferenz und Stellungnahmen von einzelnen Bischöfen. In den atheistischen Regionen in der Ostukraine sieht es anders aus. Dort ist die Kriminalität leider besonders hoch. Dort haben Russland und Finanz-Oligarchen einen großen Einfluss. Für sie bedeutet die Stimme der Kirche, vor allem der katholischen Kirche, nichts.

KNA: Seit März hat sich der Gesamtukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht mehr zu Wort gemeldet. Warum gab es angesichts der Dutzenden Toten keinen gemeinsamen Friedensappell der Religionsführer?

Szyrokoradiuk: Leider haben Sie Recht. Das Engagement hat nach den schrecklichen Ereignissen auf dem Maidan, den gemeinsamen Gottesdiensten, nachgelassen. Das Erleben der gemeinsamen Tragödie einte alle Kirchen. Alle Konfessionen feiern jetzt Gottesdienste für den Frieden und alle Gestorbenen. Der Gesamtukrainische Rat der Kirchen koordiniert eine Reihe gemeinsamer Maßnahmen, darunter auch die Gottesdienste für den Frieden. Ich hoffe sehr, dass er wieder aktiver wird.

KNA: Die ukrainischen Behörden haben dem russisch-orthodoxen Metropoliten Hilarion offenbar die Einreise in die Ukraine untersagt. Wie bewerten Sie diesen Vorfall?

Szyrokoradiuk: Die ukrainischen Behörden haben die Einreise allen untersagt, von denen Provokationen, Aufwiegelung und antiukrainische Aussagen ausgehen könnten. Darunter fallen auch russische Bischöfe. Meiner Meinung nach ist diese Entscheidung richtig. Die Ukraine muss sich und ihre orthodoxen Bürger schützen.

KNA: Sind Sie für härtere Sanktionen des Auslands gegen Russland, etwa für Wirtschaftssanktionen?

Szyrokoradiuk: Ich bin nicht nur für härtere Sanktionen gegen Russland, sondern auch der Meinung, dass es sich bei den Sanktionen bisher oft nur um Worte handelt. Ich denke, dass viele europäische Staaten eher materielle Verluste befürchten, als den Frieden zu verlieren.