Katholischer Pfarrer glaubt nicht an Gottessohn Jesus

Keine Kreuze im Pfarrheim

Ein katholischer Pfarrer im bayerisch-schwäbischen Bissingen glaubt nicht an Jesus als Gottessohn. Er lehnt auch Segen und Gebete ab. Über die Zeit habe er sich vom katholischen Glauben entfremdet. Was sagt das Bistum Augsburg dazu?

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Pfarrer Ivan Kuterovac in der katholischen Kirche in Bissingen am 21. Oktober 2024. / © Christopher Beschnitt (KNA)
Pfarrer Ivan Kuterovac in der katholischen Kirche in Bissingen am 21. Oktober 2024. / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Normalerweise wäre das nicht weiter erwähnenswert: ein Büro ohne Kreuz. Doch dieses Büro hier ist das eines katholischen Pfarrers. Eines Pfarrers, der nicht daran glaubt, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist. 

Pfarrer Ivan Kuterovac in seinem kreuzlosen Büro in Bissingen am 21. Oktober 2024. / © Christopher Beschnitt (KNA)
Pfarrer Ivan Kuterovac in seinem kreuzlosen Büro in Bissingen am 21. Oktober 2024. / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Ivan Kuterovac heißt dieser Geistliche. Er ist 42 Jahre alt, seit elf Jahren katholischer Priester, seit zweien Pfarrer im bayerisch-schwäbischen Bissingen im Bistum Augsburg. Über die Zeit hat er sich nach eigenen Worten vom katholischen Glauben entfremdet.

"Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass ich mit der Lehre der Kirche nicht mehr mitgehen kann."» Daher habe er auch die Kreuze in seinem Pfarrheim abgehängt. Denn klar, Jesus habe es gegeben, er sei historisch nachgewiesen. Aber Gottessohn? "Ich glaube, dass Jesus ein guter Mensch war und Gott durch seinen Lebenswandel sehr nahe stand", sagt Kuterovac. "Seine Botschaft schätze ich sehr und sehe ein, dass sie durch die Jahrhunderte die Menschen zum Guten verleitet und unserer abendländischen Kultur große Humanität verliehen hat. Dennoch glaube ich weder daran, dass er Sohn Gottes und wahrer Gott ist, noch daran, dass sein Tod von Gott gewollt wurde und damit für den Menschen 'erlösend' ist."

Kritik an Heiligenverehrung

An Gott an sich glaubt Kuterovac durchaus: "Für mich ist Gott Schöpfer der Welt und eine allgegenwärtige Kraft, die alles durchdringt. Gott ist absolut, deswegen auch fehlerfrei und heilig." Daher tut sich Kuterovac auch schwer mit der Verehrung der Heiligen. "Heilig kann nur Gott allein sein. Die Lehre der Kirche finde ich an dieser Stelle inkonsequent: Einerseits bekennt die Kirche schon, dass Gott allein heilig ist. Andererseits hat sie ein Register mit unzähligen Heiligen, von denen nicht wenige aber zwielichtige Persönlichkeiten waren."

Für inkonsequent hält der Priester auch das katholische Eucharistieverständnis: "Wenn Jesus - als vermeintlicher Gott - in diesem Brot durch den Dienst der Kirche und ihrer Amtsträger tatsächlich real präsent wäre, wie die Kirche es lehrt, dann wäre er manipulierbar und dem Menschen ausgeliefert." Allein: "Ein Gott, den der Mensch kontrollieren kann, ist kein Gott."

Fürbitten nur mit Bauchschmerzen

Daher lehnt Kuterovac auch Segen und Gebete ab, ebenso Fürbitten. Über deren regelmäßiges Verlesen sagt der Priester: "Es schien mir irgendwann so, als wäre ich 'Gottes Vorgesetzter', der ihm zum Beginn der neuen Woche im Sonntagsgottesdienst die Aufgaben zuteilt."

Pfarrer Ivan Kuterovac vor der katholischen Kirche in Bissingen am 21. Oktober 2024. / © Christopher Beschnitt (KNA)
Pfarrer Ivan Kuterovac vor der katholischen Kirche in Bissingen am 21. Oktober 2024. / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Apropos Gottesdienste: Die habe er grundsätzlich schon nach Vorschrift der Kirche gefeiert, versichert der Geistliche. "Allerdings habe ich immer offen und ehrlich von meinem persönlichen Glauben gepredigt." Seinen Anfang nahm dieser Glauben im katholisch geprägten Kroatien. Dort wuchs Ivan Kuterovac auf. Seine Heimatgemeinde sei von der ordensähnlichen Gemeinschaft der Pallottiner liberal geführt worden, erzählt er. Dieses weltoffene Glaubensumfeld habe ihn auf den theologischen Weg geführt.

"Irgendwann passte es nicht mehr"

Über die Pallottiner kam Kuterovac 2000 nach Deutschland, zunächst nach Friedberg bei Augsburg. Er trat der Kommunität auch bei - und Jahre später wieder aus. "Irgendwann passte diese Lebensform nicht mehr zu mir. Ich fühlte mich da zu sehr fremdbestimmt." Zu den Pallottinern pflege er aber bis heute ein enges Verhältnis. "Das Haus der Pallottiner in Friedberg ist mein zweites Elternhaus, die Stadt Friedberg meine zweite Heimat."

Nach Friedberg will der Geistliche bald auch zurückkehren. Denn zum 1. Dezember gibt er sein Amt als Pfarrer von Bissingen ab, darauf haben sich er und das Bistum einvernehmlich verständigt, wie es von beiden Seiten heißt. Kuterovac will zudem aus der Kirche austreten.

Gewerbe als freier Redner gegründet

Werden die Bissinger ihren ungläubigen Pfarrer wohl vermissen? "Von den meisten habe ich für meine Ehrlichkeit viel Zuspruch erfahren", sagt Kuterovac. "Die meisten kommen, wenn überhaupt, selbst nur aus Tradition und zum Leute-Treffen in die Messe. Wichtig bin ich ihnen weniger als Geistlicher und mehr als Bezugsperson."

Während der Priester das draußen vor der Bissinger Kirche erzählt, fährt wie zum Beweis eine ältere Dame im Auto vorbei. Sichtlich erfreut, Kuterovac zu sehen, winkt sie wild am Rosenkranz vorbei, der am Rückspiegel baumelt.

Seelsorger jenseits des Kirchenamts

Und das Bistum, was sagt das eigentlich zu der ganzen Geschichte? "Dem Wirken als Priester geht eine jahrelange Ausbildung voraus, in der stets auch der eigenen Reflexion gegenüber den christlichen Glaubensinhalten Raum gegeben wird", teilt ein Sprecher mit. Priester werde man nicht nebenbei. "Insofern ist es höchst bedauerlich, wenn ein Geistlicher sich nicht mehr in der Lage sieht, die zentralen Botschaften unseres Glaubens für sich als wahr anzuerkennen."

Auch jenseits des Kirchenamts wird Ivan Kuterovac weiter als Seelsorger wirken. Er hat "Haltvoll" gegründet, ein Gewerbe als freier Redner. In diesem Rahmen will er künftig "Kinderwillkommensfeste", freie Trauungen und Bestattungen begleiten, auch solche von Tieren.

Katholische Orden in Deutschland

Zur Deutschen Ordensoberkonferenz (DOK) mit Sitz in Bonn gehören heute nach eigenen Angaben rund 400 Obere. Sie vertreten 17.000 Ordensleute. Darunter sind etwa 300 Frauengemeinschaften mit rund 13.500 Mitgliedern, die in 1.144 klösterlichen Niederlassungen leben.

 Ordensfrau im Weinberg
 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ordensfrau im Weinberg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA