DOMRADIO.DE: Frank Walter Steinmeier hat Emmanuel Macron den Preis verliehen. Was waren die Kernaussagen, mit denen der Bundespräsident die Verdienste Macrons um Europa gewürdigt hat?
Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW): Der Bundespräsident hat den französischen Präsidenten vor allem als großen Freund Deutschlands vorgestellt, der zum einen mit der deutschen Kultur sehr verbunden ist, aber auch mit Deutschland und mit vielen Menschen in Deutschland.
Er hat das zum Ausgangspunkt genommen, darauf hinzuweisen, dass der französische Präsident in der jetzigen Situation maßgeblich daran mitarbeitet, dass zum einen die deutsch-französische Freundschaft weiterentwickelt, aber vor allem auch Europa weiterentwickelt wird, und das vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Ukraine.
DOMRADIO.DE: Welche Dankesworte hat der französische Präsident genutzt?
Hamers: Der französische Präsident hat daran angeknüpft und natürlich bestätigt, dass er ein großer Freund Deutschlands ist. Er hat das noch mal historisch eingeordnet, dass der Friedenspreis im Rathaus des Westfälischen Friedens verliehen wird (dort wurde 1648 der Westfälische Frieden besiegelt). Er hat daran erinnert, dass das Elsass damals zum ersten Mal an Frankreich gefallen ist, im Zusammenhang mit dem Westfälischen Frieden.
Er hat außerdem darauf hingewiesen, dass vor allem auch in diesen Tagen der Friede ein hohes Gut ist, um den es immer wieder geht, ihn zu erkämpfen und zu verteidigen. Er sagte, dass der Friede und die Einheit Europas riesige Herausforderungen sind, gerade in der jetzigen Zeit.
DOMRADIO.DE: Die Auszeichnung für Macron ist nicht nur auf Zustimmung gestoßen. Woran lag das?
Hamers: Das liegt natürlich an dem Krieg gegen die Ukraine. Einige Leute sind der Meinung, dass mit Pazifismus Frieden wiederhergestellt werden könne. Aber der Pazifismus, das muss man sagen, hat in vielen Fällen in der Geschichte nicht zu Frieden, sondern vor allem zu Unfreiheit geführt. Mit dem im Blick ist es im Moment so, dass die Ukraine unbedingt auch militärisch unterstützt werden muss. Dafür stehen Deutschland und Frankreich ein, sowohl der deutsche Bundespräsident wie auch der französische Staatspräsident.
Das haben sie gerade noch mal deutlich gemacht, dass es unsere Aufgabe im Moment ist, dazu beizutragen, dass die Ukraine sich verteidigen kann, weil in der Ukraine auch unsere Freiheit und unser Recht verteidigt wird. Dem Aggressor Russland muss unbedingt Einhalt geboten werden.
DOMRADIO.DE: In welchen Punkten unterscheiden sich seine Positionen von denen der katholischen Kirche beim Thema militärischer Einsatz in der Ukraine?
Hamers: Zunächst mal gibt es nach wie vor die Grundsätze des gerechten Krieges beziehungsweise des gerechten Friedens. Insofern darf derjenige, der angegriffen wird, sich selbstverständlich verteidigen. Natürlich muss immer auch ausgelotet werden, welche Möglichkeiten zum Frieden gegeben sind.
Wenn der Punkt gekommen ist, wo ein Friedensschluss möglich ist, dann muss diese Möglichkeit ohne Frage ergriffen werden. Im Moment scheint mir dieser Punkt aber nicht gekommen zu sein, sodass wir derzeit leider noch auf eine kriegerische Auseinandersetzung verwiesen sind.
Die Friedensinitiative muss selbstverständlich von Russland ausgehen bzw. Russland muss zum Frieden bereit sein. Das können wir im Moment nicht erkennen. Aber wenn diese Bereitschaft erkennbar wäre, dann müsste selbstverständlich diese Bereitschaft ergriffen werden und man müsse sich um den Frieden bemühen.
DOMRADIO.DE: Der französische Präsident ist heute in Münster, gestern hat er schon in Dresden gesprochen. Haben Sie das auch mitverfolgt?
Hamers: Ja, das fand ich wirklich sehr beeindruckend. Das erinnerte etwas an die Rede, die Präsident de Gaulle bei seinem ersten Deutschlandbesuch gehalten hat. Wie auch damals war die Rede gestern in Dresden vor jungen Menschen gehalten. Was ich faszinierend finde, Macron ist überzeugter Europäer. Er weist vor allem auf die Gefahren hin.
Er ist offensichtlich kein Traumtänzer, sondern er weist immer wieder darauf hin, welche großen Herausforderungen es auch bedeutet, dieses Europa zusammenzuhalten. Er hat gesagt, Europa könnte sterben. Er weiß um die Gefahr. Diese Gefahr verleitet aber nicht zu Pessimismus, sondern er ist offensichtlich auch ins Gelingen verliebt, im besten Sinne des Wortes. Er setzt sich unermüdlich dafür ein, dass Europa weiter vorankommt. Das ist ein unschätzbar hohes Gut.
Gerade jetzt vor dem Hintergrund der Wahlen zum Europaparlament, kann man gar nicht oft genug daran erinnern, welch großes Glück die europäische Einigung ist und dass wir alle dazu angehalten sind, uns politisch dafür einzusetzen, zur Wahl zu gehen. Daran hat Macron auch in Dresden noch einmal erinnert. Es liegt an uns allen, dieses großartige Projekt weiterzuführen.
DOMRADIO.DE: Es hatten sich in Münster mehrere Kundgebungen von Friedensaktivisten angekündigt, die gegen den Preis für Macron demonstrieren wollten. Haben Sie davon was mitbekommen?
Hamers: Nein, das habe ich nicht mitbekommen.
DOMRADIO.DE: Halten Sie den französischen Präsidenten für einen würdigen Preisträger?
Hamers: Ja, in seiner Funktion und in dem, wie er sich eingesetzt hat - sowohl für die deutsch-französische Freundschaft wie auch für die Weiterentwicklung Europas - glaube ich, dass er ein guter und würdiger Preisträger ist.
DOMRADIO.DE: Einen Gottesdienst gab es nicht rund um diese Verleihung des Preises. Ist das nicht üblich?
Hamers: Nein, bei diesem Friedenspreis ist das nicht üblich, einen Gottesdienst zu feiern. Allerdings wird jedes Jahr am 24. Oktober, das ist der Jahrestag des Westfälischen Friedens, eine sogenannte Friedens-Vesper zelebriert, die ausgerichtet wird von den unterschiedlichen christlichen Konfessionen.
Die hat eine lange Tradition, und da wird jedes Mal ein Gottesdienst gefeiert. Das wiederum hat die Tradition, dass zum Ende des Westfälischen Friedens selbstverständlich auch ein Gottesdienst gefeiert wurde. Übrigens ist damals das Lied gesungen worden, "Nun lob, mein Seel, den Herren", ein wunderbares Kirchenlied, was es immer noch gibt und noch heute gerne gesungen wird.
Das Interview führte Dagmar Peters.