DOMRADIO.DE: Was ist denn eigentlich die Aufgabe dieser unabhängigen Aufarbeitungskommission? Warum gibt es die Kommission und warum ist diese Arbeit so wichtig?
Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen): Grundlage dieser Kommission ist die gemeinsame Erklärung der Bischofskonferenz mit dem unabhängigen Beauftragten für die Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, dem sogenannten UBSKM, aus dem Jahr 2020. Diese Vereinbarung sieht vor, dass in allen Bistümern solche Aufarbeitungskommissionen eingerichtet werden - so auch in den fünf nordrhein-westfälischen Bistümern. Die Kommissionen bestehen aus unterschiedlichen Fachleuten, aus Betroffenenvertretern und aus jeweils zwei Männern und Frauen, die von der Landesregierung benannt worden sind.
Professor Stephan Rixen ist einer derjenigen, die von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen für die Aufarbeitungskommission im Erzbistum Köln benannt worden waren. Die Aufgabe dieser Aufarbeitungskommissionen ist, die Aufarbeitungsprozesse in den Bistümern zu begleiten.
In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel haben alle fünf Bistümer entsprechende Gutachten oder Untersuchungen in Auftrag gegeben. In dreien liegen sie vor, in zweien warten wir noch darauf.
Und die Aufarbeitungskommissionen sind dafür zuständig zu schauen, welche zusätzlichen Arbeitsaufträge sich aus der bisher erfolgten Aufarbeitung in den Bistümern ergeben.
Zum Beispiel können sie konkret noch mal in einzelnen Fällen nachbohren. Sie können weitere Untersuchungen in Auftrag geben, um zum Beispiel zu schauen, inwieweit die Struktur in einem Bistum Vertuschung ermöglicht hat. Wenn irgendwo Zweifel bestehen, sollen diese Aufarbeitungskommissionen praktisch als objektive Kommission und Instanz die Aufarbeitung in den Bistümern überwachen, kontrollieren und auch befördern.
DOMRADIO.DE: Jetzt legt mit Professor Rixen ausgerechnet ein Vorsitzender sein Amt nieder, der von der Landesregierung entsandt worden ist. Was bedeutet das politisch, aber auch kirchenpolitisch?
Hamers: Das ist natürlich zunächst mal sehr bedauerlich, dass er sich zurückzieht. Denn Professor Rixen ist ein sehr anerkannter Staatsrechtler, der im Deutschen Ethikrat und eine hoch anerkannte, wissenschaftliche Persönlichkeit ist. Er ist von der Landesregierung benannt worden. Die Landesregierung hat sich sehr viel Mühe damit gegeben, die Kandidaten auszusuchen. Das war nicht ganz einfach, weil das nicht unbedingt eine Aufgabe ist, um die sich Leute reißen.
Es hat auch in anderen Bistümern den Fall gegeben, dass Kandidaten wieder einen Rückzieher gemacht haben und gesagt haben, dass sie nicht dazu in der Lage sind oder das nicht können oder wollen. Insofern war das ein relativ langwieriger Prozess. Aber die Landesregierung hat uns Gott sei Dank da unterstützt.
Ich gehe nach meinen ersten Kontakten auch davon aus, dass sie jemand Neues für Köln benennen wird. Es ist äußerst bedauerlich, dass sich eine so anerkannte Persönlichkeit daraus zurückzieht und damit natürlich auch nochmal infrage stellt, inwieweit die Konstruktion dieser Aufarbeitungskommission wirklich gut durchdacht war.
DOMRADIO.DE: Professor Rixen hat im Zusammenhang mit seinem Rückzug deutlich gemacht, dass er eine staatliche, völlig von den Kirchen unabhängige Aufarbeitung mit klaren bundesweiten Vorgaben wünscht. Das fordern auch viele Betroffene seit Jahren. Wie beurteilen Sie diese Forderungen? Was sagt die katholische Kirche dazu?
Hamers: Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir das, was wir an Aufarbeitung bisher geleistet haben, selbstverständlich immer wieder auch offen gemacht haben und dass wir offen dafür sind, dass der Staat uns in dieser Aufgabe unterstützt.
Wir haben uns nie irgendwelchen staatlichen Angeboten verschlossen und zugleich darauf hingewiesen, dass natürlich auch der Staat in dieser Frage in der Verantwortung ist, weil es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt.
Es handelt sich nicht allein um ein Problem der katholischen Kirche, sondern der sexuelle Missbrauch, die sexuelle Gewalt ist ein Problem in allen gesellschaftlichen Gruppen bis hinein in die Familien. Insofern ist es ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Es ist damit auch eine politische Verantwortung, mit zu schauen, dass das in einer guten Art und Weise aufgearbeitet wird und dass dann Licht ins Dunkel gebracht wird. Wenn der Staat uns bei dem bis jetzt schon von uns Geleisteten und den Bemühungen unterstützen will, sind wir selbstverständlich dafür offen, diese Unterstützung des Staates in Anspruch zu nehmen.
Das Interview führte Katharina Geiger.