DOMRADIO.DE: Gab es für Sie eine Überraschung bei diesem Wahlergebnis?
Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW): Dass die CDU vorne lag, konnte man schon aus den Umfragen der letzten Zeit sehen. Dass die Ampel-Parteien, insbesondere SPD und vor allem natürlich die Grünen, so abstürzen würden, hat mich aber schon überrascht.
Dass die AfD so stark geworden ist, zeichnete sich in Umfragen auch schon ab. Es war trotzdem ein schwieriges Ergebnis.
DOMRADIO.DE: Wie nehmen Sie das Wahlergebnis und das Abschneiden der rechten Parteien im Katholischen Büro auf?
Hamers: Zunächst müssen wir das jetzt auswerten und schauen, wie das Ganze auch kommentiert wird, sowohl von der Presse wie aber auch von den Parteien selbst. Wir nehmen natürlich positiv auf, dass nach wie vor der weitaus größte Teil der Menschen die Parteien der Mitte gewählt hat.
Sehr positiv finde ich, dass es mit 65 Prozent eine so hohe Wahlbeteiligung gegeben hat. Das finde ich super. Dass sich so viele Leute an der Wahl beteiligt und damit deutlich gemacht haben, dass sie der Europawahl auch eine große Bedeutung beimessen, finde ich für unsere Demokratie ein absolut positives Ergebnis.
DOMRADIO.DE: Können Sie sich erklären, warum das dieses Mal so hoch war?
Hamers: Offensichtlich ist es den unterschiedlichen Parteien gelungen, die Menschen zu mobilisieren. Offensichtlich haben die Menschen auch begriffen, dass auf europäischer Ebene wichtige Entscheidungen für uns und für unser tägliches Leben und für unsere Politik hier getroffen werden.
Es ist insofern wichtig, sich an der Wahl zu beteiligen und auf diese Weise auch selbst Verantwortung zu übernehmen oder auch mitzugestalten, um deutlich zu machen oder um mitzuentscheiden, wer politische Verantwortung auf europäischer Ebene trägt.
DOMRADIO.DE: Europapolitik kann manchmal auch etwas kompliziert sein. Was ändert sich denn jetzt für uns?
Hamers: Europapolitik ist ohne Zweifel natürlich kompliziert, schon allein aufgrund der unterschiedlichen Institutionen. Die Frage, wer wofür zuständig ist, Kommission, Rat und Parlament ist nicht ganz einfach und es ist auch kompliziert, immer wieder Kompromisse zwischen den unterschiedlichen Ländern einzugehen. Das macht das Ganze natürlich für manche Leute kompliziert und vielleicht auch manchmal undurchsichtig.
Ich fand es sehr positiv, dass im Zusammenhang mit dem Zugehen auf die Europawahl auch in den Medien sehr viel noch einmal erklärt und erläutert worden ist, wie Europa funktioniert, welche Bedeutung Europa für uns hat. Was sich jetzt ändert, müssen wir sehen.
Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass die Europäische Volkspartei, zu der auch die CDU gehört, wohl die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament sein wird und dass zumindest das politische Spitzenpersonal wahrscheinlich das gleiche sein wird, was es vorher auch war. Frau von der Leyen wird wahrscheinlich gute Chancen haben, wiederum Kommissionspräsidentin zu werden.
DOMRADIO.DE: Inwieweit bereitet Ihnen das Erstarken der rechten Parteien nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Frankreich und Italien Sorge?
Hamers: Zumindest sind das alles Gruppierungen, die durchaus sehr europakritisch sind. Beim Ergebnis der AfD in Deutschland muss man auch das Bündnis Sahra Wagenknecht dazurechnen, weil die natürlich in ähnlichen Milieus und in ähnlichen Wählerschichten fischen. Das ist schon besorgniserregend, wenn diese Europaskepsis oder die Parteien, die sehr europaskeptisch sind, so große Ergebnisse sowohl in Deutschland wie aber auch in anderen europäischen Ländern erzielen. Das macht das europäische Zusammenwirken sicherlich schwieriger.
Es ist offensichtlich nicht gelungen, allen Menschen deutlich zu machen, welch große Errungenschaft Europa ist. Bei aller Komplexität, die wir gerade beleuchtet haben, überwiegen die Vorteile der europäischen Einigung und auch der gemeinsamen europäischen Politik und der gemeinsamen europäischen Entscheidung bei weitem, auch wenn es kompliziert, manchmal vielleicht auch schwierig oder langwierig ist und manche Leute den Eindruck haben, dass die Bürokratie überwiegt.
Es überwiegen aber vor allem Freiheit, Wohlstand und Sicherheit in Europa, die durch die Europäische Union garantiert werden.
Das Interview führte Tim Helssen.