Katholisches Hilfswerk warnt vor Eingreifen in Syrien

"Die Christen haben Angst"

Das internationale katholische Hilfswerk missio warnt vor einem Militärschlag westlicher Mächte gegen Syrien. Durch den Krieg rücke die Versöhnung in dem Bürgerkriegsland in immer weitere Ferne, sagt Dr. Matthias Vogt im domradio.de-Interview.

Kirche in Mar Elias (dpa)
Kirche in Mar Elias / ( dpa )

domradio.de: Was wird Ihnen berichtet über die aktuelle Situation von Christen vor Ort in Syrien?

Vogt: Die Nachrichten aus Syrien werden immer bedrückender. Ich habe am Wochenende eine Nachricht des maronitischen Erzbischofs von Damaskus bekommen. Der erzählte, wie die Menschen eigentlich immer mehr verzweifeln und nicht mehr ein noch aus wissen. Er hat den Konflikt so geschildert, dass es im ersten Jahr darum ging, Demokratie in Syrien zu schaffen. Im zweiten Jahr haben sich die Kämpfe immer mehr verhärtet, es wurde immer mehr zu einer militärischen Auseinandersetzung. Und 2013 beschreibt er nur noch als das große Chaos, in dem ganz unterschiedliche Gruppen, darunter auch islamistische Kämpfer, in Syrien Unruhe stiften. Zum großen Leidwesen der Bevölkerung, die gar nicht mehr sieht, wie dieser Konflikt zu einem guten Ende zu bringen ist.

domradio.de: Immer wieder hat man ja von christlichen Gruppen in Syrien gehört, dass es ihnen unter dem Regime von Machthaber Assad besser ging, da er zumindest eine freie Religionsausübung ermöglicht habe. Wie stehen die syrischen Christen nun dem Bürgerkrieg gegenüber?

Vogt: Viele syrische Christen trauern natürlich dieser Zeit nach, in der Assad als säkularer Herrscher den Christen und anderen Religionsgruppen Religionsfreiheit gewährt hat. Man muss aber sehr deutlich sagen, das war nur ein Menschenrecht unter vielen. Alle andere Menschenrechte hat das Regime immer mit Füßen getreten. Man kann also nicht die Religionsfreiheit als Argumente dafür hernehmen, dass man an Assad unbedingt festhalten muss.

domradio.de: Die Muslimbruderschaft hatte im vergangenen Jahr ein Gelübde abgelegt, dass sie sich für die Errichtung eines demokratischen Staates und freie Religionsausübung einsetzen möchte. Sind die Ängste der Christen vor einer Islamisierung des Landes also unbegründet?

Vogt: Nein. Es wird auf jeden Fall eine stärkere Rolle des Islam geben nach diesem Krieg. Wie stark sie sein wird, weiß man nicht. Wir haben in Ägypten die Herrschaft der Muslimbrüder erlebt, eine starke Islamisierung erlebt, gegen die sich dann die Bevölkerung wieder zur Wehr gesetzt hat. Also, es wird wahrscheinlich eine Phase geben, hoffentlich keine dauerhafte Islamisierung. Die Ereignisse in Ägypten tragen übrigens nicht unbedingt dazu bei, dass diesem öffentlichen Schwur der syrischen Muslimbruderschaft jetzt besonders großes Vertrauen geschenkt würde. Auch Präsident Mursi hatte, als er gewählt wurde, öffentlich erklärt, er wolle der Präsident aller Ägypter sein, egal ob Muslime oder Christen. Und passiert ist dann das genaue Gegenteil dessen. Das trägt jetzt nicht dazu bei, dass die syrischen Christen nun der syrischen Muslimbruderschaft großes Vertrauen entgegenbringen würden.

domradio.de: Nach dem vermutlichen Giftgasangriff vor einer Woche bekommt der Bürgerkrieg eine dramatische Wendung. Könnte ein Eingreifen der westlichen Welt in den Konflikt die Stellung der christlichen Minderheit in Syrien verschlechtern?

Vogt: Die Christen haben Angst davor, dass durch ein Eingreifen das Chaos in Syrien noch größer wird. Sie sind besonders darauf angewiesen, dass es eine stabile Regierung gibt und wünschen sich ein schnelles Ende dieses Krieges. Ein westliches Eingreifen ist da kontraproduktiv, es würde den Krieg nur verlängern. Es könnte vielleicht ein militärisches Patt wiederherstellen. Präsident Assad hat ja mit Hilfe der Hisbollah in den letzten Monaten zu Ungunsten der Rebellen wieder einige Geländegewinne gemacht. Es würde aber auf keinen Fall ein schnelles Ende dieses Krieges bedeuten  und dafür haben die Christen die größte Angst. Sie wünschen sich vielmehr einen Dialog zwischen den Konfliktparteien gibt. Den kann es nur geben, wenn sich Russland und die USA einig darüber sind, dass sie die beiden Konfliktparteien an einen Tisch bringen wollen. Im Moment sieht es so aus, dass jede der Parteien das Gefühl hat eine Großmacht im Rücken zu haben.

domradio.de: Wie können Ihrer Meinung nach die syrischen Christen zu einer Versöhnung der unterschiedlichen Gruppen beitragen?

Vogt: Sie versuchen das schon seit Beginn des Konfiktes, weil sie eben nicht wie die Aleviten an das Regime gebunden sind. Assad kommt ja aus einer alevitischen Familie und hat diese Bevölkerungsgruppe in den vergangenen Jahre sehr begünsitgt, und auf der anderen Seite sthene ide sunnitischen Muslime, die sich benachteiligt gefühlt haben. Die Christen stehen dazwicschen und versuchen in Versöhungsgruppen in verscheidenen Orten seit Beginn des Konflikt sehr zum Ausgleich beizutragen und man kann hoffen, dass sie diese Rolle weiterspielen könnten, aber die GRundvorraussetzung für eine Versöhung felht natürlicgh noch und die wäre zunächst ein Waffenstillstand.

Das Interview führte Heike Sicconi.