Kauder: Schwierigste Situation für Christen in Ägypten seit Jahren

"Hoffnungen mache ich mir nicht"

Laut Volker Kauder stehen die Kopten in Ägypten wie seit Jahren nicht mehr unter Druck. Im domradio.de-Interview erklärt der Unionsfraktionschef, warum er die Solidarität anderer islamisch geprägten Staaten vermisst.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (dpa)
Unionsfraktionschef Volker Kauder / ( dpa )

domradio.de: Wie schätzen Sie die derzeitige Situation der koptischen Minderheit in Ägypten ein?

Kauder: Ich glaube, dass es die seit vielen Jahren schwierigste Situation für die koptischen Christen ist. Es war ja schon nicht einfach in der Mubarak-Zeit, aber in ihr konnten die Christen einigermaßen leben. Doch seit dem Sturz von Mubarak und einer kurzen Übergangszeit sind sie wieder sehr stark unter Druck geraten. Und jetzt vor allem, weil sie sich auch stärker öffentlich zeigen und für ihre Belange eintreten.

domradio.de: Ist dieses öffentliche Eintreten ein Grund dafür, weshalb die Anhänger der Muslimbruderschaft die Kopten als ihre Feinde betrachten?

Kauder: Da spielen viele Dinge eine Rolle. Und natürlich sind die Christen auch zur Zielscheibe geworden, weil sie ziemlich deutlich gezeigt haben, dass sie die Entmachtung Mursis im Grundsatz für richtig gehalten haben. Aber eines ist auch klar: Die Muslimbrüder in Regierungsverantwortung waren drauf und dran, eine islamische Republik aufzubauen; das hatte ja auch die Verfassung gezeigt. Die Christen waren zunehmend unter Druck geraten.

domradio.de: Sie plädieren dafür, die islamischen Länder sollten die radikalen Muslime dazu aufrufen, die Christen und ihre Kirchen zu schonen. Glauben Sie wirklich an einen Erfolg eines solchen Aufrufs?

Kauder: Er wäre ein Zeichen der Solidarität von gläubigen Menschen. Wenn ich für Religionsfreiheit eintrete - auch in anderen Ländern - tue ich das ja nicht nur für Christen, die mir natürlich besonders nahe stehen als Christ, sondern ich trete für Religionsfreiheit ein. Und sage auch: Wie die Muslime hier in Deutschland ihre Moscheen bauen dürfen, will ich, dass Christen in allen Ländern ihre Kirchen bauen dürfen. Und diese gemeinsame Solidarität fehlt mir einfach: Dass sich alle, die glauben, für die Religionsfreiheit einsetzen. Aber große Hoffnungen mache ich mir nicht.

domradio.de: Christen gehören zu den am stärksten verfolgten Religionsgemeinschaften, trotzdem ist das Thema in den Medien kaum präsent. Warum?

Kauder: Es ist oft nicht ganz einfach, die Zusammenhänge klar zu erkennen. Allerdings hat sich in der letzten Zeit in der Berichterstattung viel zum Positiven geändert. Beispielsweise berichtet die Bild-Zeitung heute groß auf Seite zwei über die Situation der Christen in Ägypten. Als ich vor einigen Jahren mit dem Thema öffentlich aufgetreten bin, war ich noch sehr einsam damit.

domradio.de: Warum liegt Ihnen das Thema so am Herzen?

Kauder: Dahinter steckt innere Überzeugung. Religionsfreiheit ist das zentralste Menschenrecht überhaupt. Ohne Religionsfreiheit gibt es überhaupt keine Freiheit. Deshalb ist dieses Thema besonders wichtig. Die Frage danach, was der Zeit auf der Erde kommt, macht die menschliche Existenz aus. Und wenn das der Mensch nicht frei ausleben darf, wird ihm ein Teil seiner Existenz genommen. Die Frage des Glaubens ist zentral für die Menschen. Und ich weiß, dass im Namen des Glaubens auch schon viel Unrecht geschehen ist. Auch deshalb setze ich mich dafür ein, dass die Menschen ihre Religion frei ausüben können.

Das Gespräch führte Daniel Hauser.


Quelle:
DR