Rohingya zwei Jahre nach Vertreibung ohne Perspektive

Keine Aussicht auf Rückkehr

Myanmars Militär vertrieb im Sommer 2017 gewaltsam 740.000 muslimische Rohingya. Zwei Jahre später leben die Flüchtlinge noch immer ohne Aussicht auf Rückkehr in Lagern des Nachbarlandes Bangladesch.

Autor/in:
Michael Lenz
Rohingya-Flüchtlinge gehen mit ihrem Gepäck über ein Reisfeld / © Km Asad (dpa)
Rohingya-Flüchtlinge gehen mit ihrem Gepäck über ein Reisfeld / © Km Asad ( dpa )

Mit 15 Jahren bekam Mohammed Rafiq von seinem Vater ein Smartphone und wurde ein leidenschaftlicher Fotograf. Als er 17 war, wurden er und seine Rohingya-Familie im August 2017 gewaltsam aus Myanmars Teilstaat Rakhine vertrieben.

Im Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch dokumentiert der inzwischen 19-Jährige mit seinem Smartphone den Alltag der Flüchtlinge. "Die internationalen Medien berichten aus den Lagern. Aber sie sind nicht rund um die Uhr hier wie ich", sagt Rafiq in einem im Internet verbreiteten Video.

Furcht vor Gewalt und Verfolgung

Der Alltag der Rohingya in den Lagern ist von Entbehrungen und Hoffnungslosigkeit geprägt. In einer gemeinsamen Erklärung der Caritas und 60 weiterer Hilfsorganisationen zum zweiten Jahrestag der Vertreibung heißt es: "Während UN-Organisationen und mehr als 130 lokale, nationale und internationale NGOs die Regierung von Bangladesch bei der Bereitstellung lebenserhaltender Hilfe unterstützt haben, benötigen Flüchtlinge weit mehr als nur eine Grundversorgung zum Überleben." Sie benötigten Rechte, Sicherheit und Würde. "Viele sehnen sich nach einer Rückkehr, fürchten aber weitere Gewalt und Verfolgung zu Hause."

Rückkehr nur mit garantierter Sicherheit

An eine Rückkehr in die Heimat ist für die Rohingya derzeit nicht zu denken. Vor wenigen Tagen hatte Myanmar den Behörden von Bangladesch zwar eine Liste mit mehr als 3.400 Namen rückkehrfähiger Rohingya übergeben.

In einer aktuellen Umfrage des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) erklärten viele Flüchtlinge indes, sie würden nur zurückkehren, wenn Myanmar sie als Staatsbürger akzeptiere und ihre Sicherheit garantiere. Danach sieht es nicht aus. Nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen sollen Rückkehrer in stacheldrahtbewehrte Lager gebracht werden.

Keine angemessene Ernährung oder medizinische Versorgung gewährt

"Zwei Jahre nach der ethnischen Säuberung bestreitet die Regierung von Myanmar noch immer, dass ihre Truppen Gräueltaten begangen haben", sagt Phil Robertson, Myanmar-Experte von Human Rights Watch (HRW).

Die Regierung von Staatsrätin Aung San Suu Kyi habe auch nichts zur Verbesserung der Lebensbedingungen der in Rakhine verbliebenen 500.000 Rohingya unternommen. Diese lebten in von der Armee abgeriegelten Dörfern. Eine angemessene Ernährung, medizinische Versorgung und Bildung blieben ihnen verwehrt.

Menschenrechtsverletzungen durch das Militär

Die Vereinten Nationen fordern die internationale Gemeinschaft auf, ihre Beziehungen zum Militär von Myanmar und dessen Netz von Unternehmen zu beenden. Die im In- und Ausland erzielten Einnahmen der Armee-Unternehmen verbesserten "erheblich" die Fähigkeit des Militärs, Menschenrechtsverletzungen zu begehen, hieß es einem Anfang August veröffentlichten UN-Bericht über das Wirtschaftsimperium des Militärs.

Durch seine wirtschaftliche Macht zusammen mit den in der Verfassung verankerten politischen Privilegien blockiere die Armee den Friedens- und Demokratisierungsprozess in Myanmar.

Islamschulen füllen die Lücken der mangelnden Schulen für Kinder

In den Lagern von Cox's Bazar in Bangladesch steht es ebenfalls schlecht um den Zugang der Kinder zu Schulbildung. Hilfsorganisationen konnten nur für rund 180.000 Kinder Schulen bis zur fünften Klasse einrichten, obwohl Grundschulen für etwa eine halbe Million Kinder benötigt würden.

Die Lücke füllen zu einem Teil Islamschulen. Diese Madrasas vermittelten zwar keine radikalen Lehren, heißt es in einem Bericht der International Crisis Group. Die in Brüssel ansässige Organisation warnt jedoch davor, junge Menschen "von unregulierten Madrasas abhängig zu machen". Dies erhöhe das Risiko, dass islamistische Extremisten in den Lagern Fuß fassen könnten.

Facebook hat in diesem Jahr in Myanmar hunderte Seiten und Profile gelöscht, über die Hass und Intoleranz verbreitet wurden. Jetzt nutzen Menschen wie Rafiq Facebook zur Verbreitung ihrer eigenen Sicht der Dinge. In seinem Video sagt Rafiq: "Wenn ich ein guter Fotograf werde, dann erfährt die Welt von uns, und wir werden zurück nach Hause gehen können."

 

Quelle:
KNA