Franziskus ermahnt kirchliche Verbände und Gemeinschaften

Keine Chance für "katholische Gurus"

Der Papst lässt ein ambivalentes Kapitel der jüngeren Kirchengeschichte aufarbeiten: Geistliche Gemeinschaften und Laien-Bewegungen, die als Hoffnungsträger galten, endeten zu oft im Sumpf von Machtmissbrauch.

Autor/in:
Roland Juchem
Nachdenklich: Papst Franziskus / © AM113 (shutterstock)
Nachdenklich: Papst Franziskus / © AM113 ( shutterstock )

Als Mitte Juni ein vatikanisches Dekret veröffentlicht wurde, das Leitungsämter in katholischen Laienbewegungen strenger reglementierte, war die Aufregung vielerorts groß. Von einer "Bombe" auf neue geistliche Gemeinschaften war die Rede. Das italienische Online-Portal "La Nuova Bussola Quotidiana" resümierte: "Eine von Johannes Paul II. begonnene Ära geht zu Ende." Für Kurienkardinal Paul Josef Cordes, von 1980 bis 2005 im Vatikan für Laienverbände zuständig, erweckte das Dekret den Eindruck, "eine Materie zu behandeln, die lästig und einzuzäunen ist".

Dekret zur Leitungsverantwortung bei Laienbewegungen

Das zeitweilige Murren unter den Betroffenen griff Papst Franziskus nun auf, als er am Donnerstag Dutzende internationale Vertreter geistlicher Gemeinschaften, katholischer Verbände und Bewegungen im Vatikan empfing. Gleich eingangs dankte er "allen, dass Sie hier sind" - trotz "der schlechten Stimmung, die dieses Dekret vielleicht bei einigen ausgelöst hat".

Anlass des Treffens war eine mehrtägige Konferenz des zuständigen Laien-Dikasteriums unter Kardinal Kevin Joseph Farrell. Die sollte Betroffenen den Erlass vom 11. Juni noch einmal erläutern und einschärfen. Mit dem Dekret "Leitungsverantwortung in Zusammenschlüssen von Laien: ein kirchlicher Dienst" begrenzte der Vatikan unter anderem die Amtszeit von Verantwortlichen. In zentralen Leitungsgremien dürfen Mitglieder höchstens fünf Jahre amtieren. Insgesamt darf dieselbe Person höchstens zehn Jahre einen Posten der internationalen Leitungsebene bekleiden, danach muss für mindestens eine Amtsperiode pausiert werden.

Papst: "Auch neue Dinge werden schnell alt"

Gründer einer Bewegung können im Einzelfall ausgenommen werden. Damit wolle man der Besonderheit einer charismatischen Startphase gerecht werden, so der Papst. Betroffen sind rund 100 Strukturen, die dem Laien-Dikasterium unterstehen, darunter die Dachorganisationen der Gemeinschaft Sant'Egidio oder des Neokatechumenalen Wegs.

Ausführlich dankte der Papst den Bewegungen für ihren Einsatz unter oft schwierigen Bedingungen. Dann aber: "Der Gedanke, 'das Neue' in der Kirche zu sein - eine Versuchung, die neuen Gemeinschaften oder Bewegungen oft widerfährt - und daher Veränderungen nicht nötig zu haben, kann in falsche Sicherheit wiegen", warnte der Papst. "Auch neue Dinge werden schnell alt!" Es seien teils bittere Erfahrungen mit solchen Gemeinschaften gewesen, die ihn zu dem neuen Erlass veranlasst hätten.

Als Beispiel nannte der Papst "Fälle von Missbrauch verschiedenster Art" - sexuellem, geistlichem, autoritärem. Stets wurzelten diese in einem Missbrauch von Macht. Und es gebe nicht nur jene "besonders hässlichen Fälle, die für Aufsehen sorgen". Öfter als viele meinten, hätten Leiter und Leiterinnen Statuten geändert, um selbst länger im Amt zu bleiben oder ihre Wunsch-Nacholger durchzudrücken.

Marcial Maciel, Jean Vanier, Enzo Bianchi

Die vatikanische Ordenskongregation untersucht laut dem Papst derzeit Vereinigungen, die in den vergangenen Jahrzehnten nach dem Zweiten Vatikanum entstanden sind. Ob die Ergebnisse veröffentlicht werden, ist zweifelhaft. Sie seien aber "sehr interessant", so der Papst. Viele Gruppen begannen mit großen Neuerungen und viel Elan. Sie fühlten sich als etwas Besonderes, erschienen wie eine Art Retter, spielte Franziskus auf Zeiten an, als solche Gruppen im Vatikan und in Diözesen hofiert wurden.

Konkrete Fälle wie Marcial Maciel (1920-2008) und die Legionäre Christi, die Gemeinschaft der "Arche" und ihren Gründer Jean Vanier (1928-2019), das Tauziehen um Enzo Bianchi, den Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Bose, oder die Integrierte Gemeinde in München nannte er nicht.

Leider seien etliche dieser Bewegungen mit bösen Verfehlungen schlimm geendet. Es gab Untersuchungen, oft genug habe der Vatikan die Sache bereinigen müssen. Allein in Argentinien hätten drei solcher Gruppen aufgelöst werden müssen. Stets sei in diesen Fällen "der rote Faden die disziplinarische Strenge" gewesen. Das habe ihn stutzen lassen, so Franziskus, und zu der Erkenntnis gebracht: Hier muss sich etwas ändern.

Hilfe bei Institutionalisierung der Gemeinschaften

Wie schon bei Vatikan-Finanzen und Missbrauch durch Kleriker führt Franziskus auf diesem Gebiet erste Reformansätze seines Vorgängers Benedikt XVI. weiter. Bei Oberinnen und Oberen klassischer Ordensgemeinschaften gibt es begrenzte Amtszeiten schon ebenso lange wie die Einrichtung eines Kapitels, das sie wählt und über die Grundzüge des Ordenslebens wacht.

Nun geht es darum, neueren Gemeinschaften beim schwierigen Übergang von der charismatischen Gründungsphase zur Institutionalisierung zu helfen. Ob die Amtszeit von Bischöfen sowie deren Führungsstrukturen einmal ähnlich kritisch reflektiert werden, steht dahin.


Quelle:
KNA