Bistums-Kommunikationschef: Digitalen Tiefschlaf beenden

"Keine Paradedisziplin der Kirche"

Verdrängen digitale Gottesdienste die Eucharistiefeiern vor Ort? Davor müsse man keine Sorge haben, so Bernhard Keller. In der Krise werde deutlich, dass die Menschen Sehnsucht nach persönlicher Begegnung haben. Digital sei noch viel Luft nach oben.

Mit dem Smartphone vor der Kirche / © SG SHOT (shutterstock)
Mit dem Smartphone vor der Kirche / © SG SHOT ( shutterstock )

Einen "digitalen Tiefschlaf" hat der Kommunikationschef des Erzbistums München und Freising, Bernhard Kellner, der Kirche in Deutschland attestiert. Positive Erfahrungen mit Internetangeboten während der Zeit des Corona-Lockdowns ermutigten jedoch dazu, bisher ungenutzte Möglichkeiten zu entfesseln, schreibt Kellner in einem Diskussionsbeitrag auf dem Internetportal katholisch.de.

Die seit 15. März täglich live aus dem Münchner Liebfrauendom gestreamten Messfeiern würden regelmäßig von mehreren tausend Menschen verfolgt. Bei der Weihe der neuen Diakone durch Kardinal Reinhard Marx seien sogar 55.000 Menschen online dabei gewesen.

Die Zugriffszahlen auf die Streams seien auf einem hohen Niveau geblieben, obwohl seit Anfang Mai unter strengen Auflagen öffentliche Gottesdienste mit begrenzter Teilnehmerzahl wieder möglich sind.

Kellner: Unbegründete Angst vor digitalen Eucharistiefeiern

Für unbegründet hält der frühere politische Journalist die von manchen geäußerte Angst, "dass die Angebote im Netz das Kultische und die Feier der Eucharistie verdrängen könnten".

Die Corona-Krise habe auch gezeigt, dass die Sehnsucht der Menschen nach der Kommunion und persönlicher Begegnung im gemeinsamen Gottesdienst groß sei. Die digitalen Angebote böten die Chance, zusätzliche Räume zu eröffnen. Sie ergänzten traditionelle Formen, beide verwiesen aufeinander.

Seit Jahresbeginn habe das Erzbistum auf seiner Website bei einer Reichweite von 7,2 Millionen 78 Prozent neue Nutzer registriert. Spirituelle Angebote in den Social-Media-Kanälen hätten auch dort die Kurven nach oben gehen lassen. "Hoffnung macht, dass die größte Altersgruppe der Website-Nutzer diejenige zwischen 25 und 34 Jahren ist (26 Prozent)."

Social Media: Mehr Pflichtbewusstsein denn Überzeugung

Um die erforderliche Innovationskraft aufzubringen, brauche die Digitalisierung der Verkündigung personelle und finanzielle Ressourcen, so der Kommunikationschef. In der Privatwirtschaft machten mittelständische Zeitungsverlage vor, wie Vernetzung und Kooperation dabei helfe. Bisher sei die Internetarbeit "gewiss keine Paradedisziplin der Kirche".

Die bei Facebook, Twitter, Youtube und anderen Portalen angelegten Accounts seien "mehr aus Pflichtschuldigkeit denn aus echter Überzeugung" entstanden und "schlummerten so vor sich hin".

Kellners Diskussionsbeitrag trägt die Überschrift: "Paulus hätte getwittert". Seinerzeit habe der Apostel die Frohe Botschaft bis nach Rom gebracht, ins Zentrum der antiken Welt, "von wo aus sie sich quasi viral verbreiten konnte". Heute würde Paulus "seine Message auch über soziale Medien bis in den letzten Winkel der Erde tragen". Und dort "ganz gewiss vielen Leuten" begegnen, "die nie den Weg in eine Pfarrei gefunden hätten".


Quelle:
KNA