In Kenia kämpfen Christen und Muslime gegen den Terror

Gemeinsam für den Frieden

Muslime und Christen pflegen in Kenia seit jeher ein gutes Verhältnis. Das soll auch der Anschlag auf Kirchen durch somalische Islamisten nicht ändern, bei denen vor vier Wochen 16 Menschen getötet und 40 verletzt worden waren.

Autor/in:
Bettina Rühl
 (DR)

Der Lärm erschlägt im ersten Moment jeden Gedanken. In dem Krankenhaussaal stehen die Betten von mindestens 30 Patientinnen, die meisten von ihnen haben gerade Besuch. "In diesem Bereich liegen unsere Gemeindemitglieder", sagt Pastor Joseph Mutunga von der "Africa Inland Church". Der evangelische Prediger war in den vergangenen Wochen häufig im Krankenhaus der kenianischen Stadt Garissa. "Meine Frau liegt ja auch noch hier, und noch ein gutes Dutzend weitere Verletzte."



Sie alle sind Opfer des Doppelanschlages auf zwei Kirchen in Garissa vom 1. Juli. Fast zeitgleich griffen Attentäter während der Gottesdienste die katholische Kirche und die evangelische "Africa Inland Church" an. Unter den katholischen Gläubigen starb niemand, die evangelische Gemeinde betrauert 16 Mitglieder, die durch Kugeln und Granatsplitter umkamen. Auch die beiden Polizisten, die die Kirche bewachten, wurden getötet und insgesamt etwa 60 Menschen verletzt.



Die Verantwortung für die Attentate übernahm die islamistische Al-Schabaab-Miliz, die Somalia terrorisiert und zum Netzwerk Al-Kaida gehört. Garissa liegt nur etwa 120 Kilometer von der somalischen Grenze entfernt. Die Miliz hat in den vergangenen Jahren auch in Kenia immer wieder Anschläge verübt. Um gegen die islamistischen Kämpfer vorzugehen, marschierte die kenianische Armee im Oktober in Somalia ein. Daraufhin drohten die Islamisten mit Vergeltung. Seitdem nahm die Zahl der Anschläge in Kenia deutlich zu.



Es traf die Städte entlang der Grenze, die Touristenhochburgen an der Küste, die Hauptstadt Nairobi. Ziel der Anschläge waren kenianische Polizisten, Touristenbars oder möglichst belebte öffentliche Plätze - und Kirchen.



Der Islam verbietet das Töten

Pastor Mutunga geht täglich mehrmals ins Krankenhaus. Er will die verletzten Mitglieder seiner Gemeinde trösten und möglichen Hass im Keim ersticken. "Sie dürfen Muslime jetzt nicht als Feinde betrachten", betont er. Denn auch, wenn die Attentäter den Terror im Namen des Islam ausüben, "sind das vermutlich keine richtigen Muslime. Der Islam verbietet das Töten."



Helen Mwendkia ist eine der Verletzten, die der Pastor betreut. "Ich verstehe das alles immer noch nicht richtig", sagt die 24-Jährige. "Es war so furchtbar. Überall war Blut, meine Kleidung war blutig, die Kirche voller Schreie und Leichen auf dem Boden." Zwei Attentäter stürmten in die Kirche, schossen mit ihren Kalaschnikows um sich und zündeten Granaten. Ein dritter tötete draußen die beiden Polizisten.



Vor allem in den ersten Tagen danach sei sie sich sicher gewesen, dass sie als Christen von Muslimen angegriffen worden seien, sagt Mwendkia. "Um ehrlich zu sein, ich habe Angst vor Muslimen. Wenn ich ihre langen Gewänder sehe, denke ich immer, sie hätten darunter vielleicht eine Granate. Und manchmal hasse ich sie." Aber im Krankenhaus habe sie viel nachgedacht und mit dem Pastor geredet. "Inzwischen glaube ich, dass sie nicht speziell Christen treffen wollten. Sie wollten einfach Blut vergießen."



Janet Owino ist etwas anderer Meinung. "Sie haben bewusst uns Christen angegriffen, aber das hat mit Religion nichts zu tun, ihnen geht es um politische Macht." Auch sie habe nach dem Attentat zunächst Hass auf Muslime verspürt, sagt die junge Frau, die am Bein verletzt ist. Nun sei sie überzeugt, dass Al-Schabaab-Mitglieder keine Muslime seien.



Lebendiger Austausch

"Es gibt kein religiöses Problem hier in Garissa", sagt auch Abdullahi Salat, der Vorsitzende des Obersten Rates der Muslime von Garissa. Seit dem Doppelanschlag treffen sich überall in Kenia muslimische Geistliche mit Pastoren und Priestern, um sich auszutauschen und um Frieden zu werben. Sie wollen die Hintergründe der Attentate verstehen und Hass oder Misstrauen vertreiben.



Abdullahi Salat ist sich sicher, dass "die Al-Schabaab-Miliz Christen und Muslime gegeneinander aufbringen will, um den Krieg nach Kenia zu tragen". Das wollen Christen und Muslime verhindern. So erklärte die Organisation junger Muslime sofort nach den Anschlägen, sie werde die Kirchen von Garissa künftig während der Gottesdienste bewachen. Die Christen lehnten das ab, sie wollen den Staat nicht aus seiner Verantwortung für die Sicherheit entlassen.



Aber Hassan Salat, Leiter der muslimischen Jugendorganisation, will nicht zulassen, dass das Miteinander von Christen und Muslimen durch Anschläge zerstört wird: "Wenn sie die Christen angreifen, wollen wir noch vor den Christen sterben."