Auf den Rosenfeldern von Naivasha herrscht Gedränge - normalerweise. Doch diese Woche könnten die Plantagen im Herzen Kenias jedoch leer bleiben. Viele Pflücker gehen in den Urlaub, wenn das ostafrikanische Land eine neue Regierung wählt. Möglichst weit weg von Menschenansammlungen und damit der Brutstätte von Gewalt, lautet die Devise der Kenianer, die sich noch an die Anarchie nach den Wahlen vor zehn Jahren erinnern. Damals starben bei ethnischen Unruhen knapp 1.300 Menschen. Mehr als eine halbe Million floh.
Der Wahlauftakt in dem Land mit mehr als 48 Millionen Einwohnern hätte glücklicher ausfallen können: Im Osten herrscht nach Anschlägen durch die Terrormiliz Al-Shabaab eine Ausgangssperre, der Oppositionsführer Raila Odinga musste mit einer Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus und der für Sicherheit zuständige Innenminister Joseph Nkaissery starb wenige Tage vor der Wahl. Am letzten Juli-Wochenende belagerten Bewaffnete das Haus von Vizepräsident William Ruto und lieferten sich ein Feuergefecht mit der Polizei. Entsprechend angespannt ist die Stimmung vor dem Urnengang am Dienstag, bei dem ein neues Parlament, ein Präsident und Regionalvertreter gewählt werden.
Rhetorik fachte Spannung an
Jedoch trug nichts so sehr zur Anspannung bei wie die Kampfrhetorik einiger Politiker. "Die Weise, wie die Kandidaten auf Stimmenfang gehen, besorgt uns", sagte eine Kenianerin dem Magazin "Africa Report". "Die Worte, die sie benutzen, machen uns Angst. Sie behaupten jetzt schon, das Ergebnis werde gefälscht, und drohen damit, den Ausgang anzufechten." Das spielte bereits in der Vergangenheit die politischen Fronten gegeneinander auf. Diese orientieren sich in Kenia noch immer stark entlang ethnischer Grenzen.
Der langjährige Oppositionsführer Raila Odinga unterstellt der Regierung, Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter als Wahlhelfer eingeschleust zu haben. Dazu tauchen im Wählerregister die Namen von mindestens 90.000 Verstorbenen auf. Die Opposition wittert einen Trick der Regierungspartei, um das Wahlergebnis zu fälschen. Ende Juli drohte Odinga, die Wahl zu boykottieren: Er habe von einem Plan erfahren, wonach die Regierung im Fall einer Niederlage mithilfe der Armee ihre Macht sichern wolle. Präsident Uhuru Kenyatta legte sich neben der Opposition auch mit der Justiz an. Dem Obersten Gerichtshof warf er vor, die Wahlen verzögern zu wollen, weil dieser vorübergehend den Druck von Wahlkarten in Dubai stoppte.
Amtsinhaber mit schlechten Chancen
Auf einen klaren Sieg hofft Amtsinhaber Kenyatta diesmal vergeblich. Steigende Lebensmittelpreise und hohe Jugendarbeitslosigkeit trugen zuletzt zur Missstimmung bei. Für Oppositionsführer Odinga ist es der dritte Anlauf auf das Präsidentenamt. Mit einer Massenbewegung aus mehr als zehn Oppositionsparteien will er die Nationale Superallianz
(NASA) jetzt zum Sieg führen. "Zum Wohl der Wirtschaft wollen wir, dass NASA gewinnt", sagt der Taxifahrer Billy Sipayo. Und fügt hinzu: "Die regierende Jubiläums-Allianz schluckt öffentliche Gelder - für uns bedeutet das nur eine richtige Mahlzeit pro Tag."
Beobachter rechnen mit einem ähnlich knappen Ergebnis wie bei den Wahlen 2013. Damals holte Kenyatta mit nur einen halben Prozentpunkt die Stimmenmehrheit. Mit dem Tod von Innenminister Joseph Nkaissery, einem angesehenen Anführer der Maasai, erlebte seine Kampagne einen Rückschlag. Allerdings: Vor allem in ländlichen Regionen ziehen Kenyattas Reden immer noch die Massen an.
Weiße geraten zwischen die Fronten
Auch die wenigen Weißen im Land gerieten in den vergangenen Monaten zwischen die Fronten. In der zentralen Provinz Laikipia besetzten nomadische Hirten mit ihren Herden private Wildreservate und brannten Safari-Lodges nieder. Der Regionalpolitiker Mathew Lempurkel musste vor Gericht. Zuvor hatte er den Bewohnern versichert: Sollte die Opposition siegen, werde er dafür sorgen, dass weiße Siedler aus dem Land vertrieben würden.
Die Wahl am Dienstag gilt als Reifetest für Kenias Demokratie.
Kenyatta versprach: «Es gibt keinen Platz für jene, die ihre Hand gegen ihre Brüder, Schwestern und Mitbürger erheben.» Die Kenianer beten, dass weder die Opposition noch der Präsident selbst seine Worte Lügen straft.